Dienstag, 29. Juni 2010
Frokki Kristina no Barcelona
Wer hätte gedacht, dass ich dem Nymphensittich so bald schon regelrecht dankbar sein würde? Frokki - so heißt der gefiederte Wecker meiner Nachbarn, es sind Tschechen oder Slowaken, möglicherweise schreibt sich der Name auch anders -, Frokki also, bewahrte mich heute Morgen vor weiteren Peinlichkeiten.

Ich träumte nämlich von Kristina Köhler.

Ja, ich weiß, sie heißt inzwischen Schröder, aber in meinem Traum hieß sie eben noch Köhler und besuchte mich in der Bleigießerei, in der ich im vorigen Jahrhundert arbeitete. Sie kam ins Zimmer, trug dieses braune Kostüm, in dem man sie häufiger sieht, und umarmte mich stürmisch von hinten. Alsdann gestand sie mir freudestrahlend ihre Liebe.

Mir war das etwas peinlich, denn ich konnte ihre Gefühle nicht erwidern. Zugleich tat sie mir leid, denn ich weiß ja nur zu gut, wie das ist, einseitig verliebt zu sein. Während ich also noch überlegte, was um Himmels willen ich denn nun sagen könnte, rettete mich Frokki. Sein Gekreisch riss mich aus dem Schlaf und enthob mich einer Antwort.

Danke Frokki.

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Sonntag, 13. Juni 2010
Lucky You

You own me
There's nothing you can do
You own me

- The National: Lucky You -

Neither can I. Lord knows I've tried.

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Freitag, 16. April 2010
Krise kriegen


Nicht wahr, Sie haben sich in den vergangenen Monaten unter den Bäumen häufiger gelangweilt. Geben Sie es ruhig zu, ich nehme Ihnen das nicht übel, sondern verstehe es sehr gut. Nur sporadisch gab es hier etwas Neues zu lesen, noch seltener erzählte ich Geschichten, meistens blieb es bei kurzen Einträgen. Was Sie wahrscheinlich nicht wussten: Sie wurden Augenzeugen einer beginnenden Schreibkrise, die seit Februar richtig schlimm ist.

Schreibkrise – das mag sich für den ein oder anderen lustig oder gar lächerlich anhören, aber ich versichere Ihnen, es ist überhaupt nicht zum Lachen. Im Gegenteil, es ist grauenhaft und bleibt nicht ohne Nebenwirkungen. Ich hatte so etwas noch nie, hätte mir das auch nie träumen lassen. Mittlerweile weiß ich, dass es auch schon ganz andere erwischt hat.

Ich suche bereits nach einem Weg hinaus und denke, dass ich den auch finden werde. Vermutlich wird es mich mehr Geduld kosten, als ich habe, und mehr Zeit, als ich mir leisten kann. Keine Ahnung, was währenddessen hier unter den Bäumen passieren wird. Möglicherweise erzähle ich Ihnen, dass ich im März sieben Kilo Joghurt und fast acht Kilo Obst vertilgt habe, und wir diskutieren, was wir morgens frühstücken. Vielleicht poste ich auch mehr oder weniger kommentarlos irgendwelche Fotos. Vielleicht bleibt es auch so ereignislos und zäh, wie es die vergangenen Monate war.

Wie auch immer, bleiben Sie mir bitte gewogen.

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Freitag, 26. Februar 2010
Der Rote
Wir sprachen untereinander nur selten darüber. Wir wussten auch so, was los war. Darum brauchte es auch nicht viele Worte, als mir Steffi* und Tamara* mit einem schiefen Grinsen jenes Buch zeigten, das Tamara zufällig in unserer Schulbibliothek entdeckte. Es war ein Kinderbuch mit vielen Bildern und hieß „Der Graue“, glaube ich. „Der Graue“ war nett zu Kindern. Wie er aussah, wusste keiner so genau. Er konnte groß sein oder klein, jung oder alt, darum war auf allen Bildern immer nur eine schemenhafte, graue Gestalt zu sehen. „Der Graue“ sprach Kinder auf der Straße oder dem Spielplatz an und schenkte ihnen sogar Schokolade. Doch niemals sollte ein Kind mit ihm gehen, sondern schnell nach Hause zu den Eltern laufen. „Der Graue“, warnte das Buch, war in Wahrheit böse und wollte Schlimmes tun.

Wir waren keine kleinen Kinder mehr und wussten längst, vor wem wir uns in Acht nehmen mussten. Kein Fremder, der uns Schokolade schenkt. Kein schemenhafter Grauer, sondern einer mit roten Haaren und Schweinsäugelein, der gern knallgelbe Frottiersocken in Sandalen trug. Wir sahen ihn fast jeden Tag. Er war unser Lehrer.

* Namen wie immer geändert.

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Montag, 8. Februar 2010
The Light Will Stay On*
Don Alphonso gedenkt seine letzten Tage in Italien zu verbringen und sich dort begraben zu lassen. Recht so, wenn schon sterben, dann in Italien! Allerdings würde ich dafür Ligurien der Gegend um den Gardasee vorziehen. Ich wurde in einer Stadt am Meer geboren, da sollte mein Ende auch etwas mit dem Meer zu tun haben.

- Ti: Ligurien und die kleinen Freuden -

Ihr Name steht noch immer in meiner Abonnentenliste. Auch ich habe ihr Blog noch abonniert, es existiert nach wie vor. Gestern vor zwei Jahren starb Marion in einem Hospiz, 50 Kilometer entfernt von der See.

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Dienstag, 26. Januar 2010
Das Arboretum'sche Pendel
Ich pendele mitunter zwischen glückseligmachendem Flow und ziemlichem Hass auf mich und meinen Beruf. Letztgenanntes ist momentan der Fall.

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Montag, 14. Dezember 2009
Blut trocknet wie Regen

It doesn't pay to make predictions
Sleeping on an unmade bed
Finding out wherever there is comfort
There is pain
Only one step away

- Crowded House: Four Seasons In One Day –

Die Wunden, die Du schlägst, schmerzen mehr als andere. Weil Du es bist, bin ich leichter zu treffen. Und so erwischt Du mich meist unabsichtlich - was kannst Du denn schon für meine Verletzlichkeit? Kennst vielleicht nicht einmal ihr Ausmaß.

Sechs Wochen ist es nun her, ganz erholt habe ich mich davon noch nicht. Doch auch das vergeht. Blut trocknet wie Regen, wie Regen. Füllt meinen Kelch.

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Mittwoch, 5. August 2009
Adieu
Das Schlimme ist, dass sie immer ohne Vorwarnung verschwinden. Plötzlich bleibt es abends am Himmel einfach still. Die Mauersegler sind fort.

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Samstag, 27. Juni 2009
Auf der Intensivstation
Sie lassen uns nicht zu ihm. Nur anrufen dürfen wir, abends nach der Operation. Nach der Arbeit in der Lackfabrik kommt meine kleine Schwester zu mir, greift nach dem Telefon und ruft auf der Intensivstation an. Die Schwester am anderen Ende lässt sich alles aus der Nase ziehen. Ja, er habe die Operation gut überstanden. Ja, er sei auch schon einmal wach gewesen. Nein, meine kleine Schwester darf nicht morgen früh kurz nach ihm schauen, weil sie am Nachmittag gleich nach der Arbeit über das Wochenende wegfährt. Besuchszeit ist erst nachmittags um halb drei Uhr, vorher geht es auf gar keinen Fall.

Die war aber nicht gerade zuvorkommend, findet meine Schwester, dabei müssten die doch solche Telefonate gewohnt sein. Ich wundere mich ebenfalls.

Am nächsten Morgen ruft mich meine kleine Schwester ganz früh an. Mir hat das keine Ruhe gelassen, ich wollte einfach nochmals fragen, ob ich nicht doch vorbeikommen kann, sagt sie zu mir. Diesmal habe sie jemand anderen an der Strippe gehabt, der sei freundlicher und etwas auskunftsfreudiger gewesen. Unser Vater liege im künstlichen Koma, habe der Pfleger gesagt. Das sei aber nach so schweren Operationen normal. Vorbeikommen könne sie aber leider nicht, das sei erst zur Besuchszeit am Nachmittag möglich.

In der Eile vergisst meine kleine Schwester mir zu erzählen, dass der Pfleger auch noch von einem Notfall gesprochen hat. Und während ich mich die nächsten Stunden beunruhigt frage, seit wann es normal sein soll, nach einer Bypass-Operation in ein künstliches Koma versetzt zu werden, wird sie sich Sorgen über den Notfall machen und grübeln, was wohl in der Nacht passiert ist.

Als unsere ältere Schwester Amaryllis nachmittags auf die Intensivstation geht, findet sie dort unseren Vater nicht vor. Wie sich herausstellt, war er nie auf der Intensivstation, denn die Operation war so gut verlaufen, dass sie ihn gleich auf die Wachstation gebracht haben. Unser Vater wird ihr erzählen, dass er schon um 17 Uhr wieder aufgewacht sei und fortan kein Auge mehr zugetan habe, weil draußen die ganze Nacht lang ein Höllenlärm gewesen sei.

Sie hatten ihn verwechselt. Es war jemand anderes Vater, der im künstlichen Koma lag.

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Mittwoch, 24. Juni 2009
Tag X
Ich erwache eine Stunde vor der Zeit und weiß, auch er liegt schon lange wach. Seit Jahren schon schläft er schlecht, und heute wird keine Ausnahme sein. Nein, ganz gewiss nicht heute. Er hat diesen Tag wochenlang hinausgezögert. Sie sagten, es sei ernst, doch er ließ sich nicht zu einem früheren Termin bewegen. Erst nach Euren beiden Geburtstagen und Eurer Reise, entschied er. Wir alle waren beunruhigt. Manchmal war er dann sehr still, wir ahnten seine Angst, doch er sprach nicht darüber. Er spricht nicht über seine Gefühle. Nie.

Ich stehe auf, schließlich kann ich eh nicht mehr schlafen. In der Küche bereite ich mein Frühstück vor, putze Zähne, dusche, ziehe mich an. Die gewohnten Handgriffe verrichte ich fahrig, eine Glasschüssel rutscht mir aus der Hand, zerschellt in tausend Scherben. Mir geht selten etwas kaputt, und ich fluche leise, als ich die Scherben zusammenkehre.

Es ist acht Uhr, in einer Viertelstunde wird er hier sein, damit ich ihn begleite. Er wird dann doch selbst fahren wollen und mich ein paar Mal nach dem Weg fragen, den er sonst ganz genau kennt. Und auch später wird er auf den langen Fluren einige Male fast die Orientierung verlieren. Er wird auch dann nicht über seine Angst sprechen.

Heute geht mein Vater in die Klinik. Morgen wird er am Herzen operiert.

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