Samstag, 8. Juli 2006
Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung
Sein Saufkumpan schläft noch, den Kopf und Oberkörper quer über den Tisch gestreckt. Leere Bierflaschen stehen zwischen ihnen, er hält sich an einer fest. Mit zerzaustem Haar und fragendem Blick blinzelt er in die dunstige Morgenhelle. Um seinen Kumpan nicht zu wecken, wünsche ich ihm im Vorbeigehen nur mit gedämpfter Stimme einen Guten Morgen. Da geht ein Strahlen über sein rotgetrunkenes Gesicht. Guten Morgen, antwortet er laut und vergnügt. Dann lacht er und sagt noch einmal: Guten Morgen.

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Donnerstag, 6. Juli 2006
Timpetu
Ein Kindheitsschatz, dem ich heute noch nachtrauere, waren die Postkarten, die mir mein Vater schrieb. Sie waren nur an mich gerichtet und stets mit Timpetu unterschrieben. Timpetu war der Riese aus dem Schulbuch meines Vaters, von dem ich aber gar nichts wusste. Ich kannte Timpetu nur von den Postkarten und vom Herumtoben. Meine Mutter musste mir die Karten anfangs immer noch vorlesen - wie stolz war ich, als ich das das erste Mal alleine konnte. Lange Zeit habe ich diese Karten gehütet, doch eines Tages waren sie leider verschwunden. Nur das Album meiner älteren Schwester mit den Burgen-Postkarten, die unser Vater ihr geschenkt und geschrieben hatte, ist erhalten geblieben.

Als ich heute Abend heimkam, fand ich eine Postkarte von meinem Vater im Briefkasten. Er hat sie nicht mit Timpetu unterschrieben, aber ich habe mich riesig gefreut.

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Sonntag, 18. Juni 2006
Sonntagseinkäufe
Weißt Du, was wir unbedingt kaufen müssen?, sagte eben auf der Straße eine Achtjährige zu ihrem gleichaltrigen Freund. Was?, fragte der zurück.
Wasserpistolen!

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Samstag, 10. Juni 2006
Paeonien - Asparagus 1:0
Vor die Wahl gestellt, mir für 4,50 Euro entweder ein Pfund grünen Spargel oder einen Strauß weiße Pfingstrosen zu kaufen, habe ich mich dann doch für letztgenannte entschieden. Die Freude hält länger vor.

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Dienstag, 6. Juni 2006
I'm all smiles

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Sonntag, 4. Juni 2006
Der Friseur meines Vaters
Jedes Mal wenn mein Vater beim Friseur gewesen war, gab es beim Mittagessen Diskussionen. Deine schönen Haare, sagte meine Mutter und seufzte dann. Warum hast Du sie Dir denn bloß wieder so kurz schneiden lassen?
Wir drei Mädchen wurden da deutlicher: Total verkrotzt, lautete das Urteil.
Mein Vater verteidigte sich stets damit, dass er so bald nicht wieder zum Friseur gehen wollte und sie sich deshalb hatte kurz schneiden lassen. Die töchterliche Inquisition ließ das Argument nicht gelten. Kannst Du nicht einmal zu einem gescheiten Friseur gehen? Musst Du denn immer zu dem?

Der Friseur war nur ein paar Straßen weiter. Damen und Herren Salon stand in schnörkeliger Leuchtschrift über den Schaufenstern, in denen Haarspraydosen und eine silberfarbenen Plastiktafel mit den Preisen standen. Hinter den halblangen weißen Stores sah man manchmal alte Frauen, die sich lila ondulieren ließen, ab und an auch einen Mann auf dem Frisierstuhl sitzen. Junge Leute sah man nie, zu altmodisch und bieder wirkte der Laden und auch der blonde Friseur, den man manchmal mit bravem Seitenscheitel, Herrenhandtäschchen und seinem Freund auf der Straße traf. Die beiden wohnten über dem Laden, ziemlich zurückgezogen, getuschelt wurde trotzdem.

Mein Vater blieb standhaft. Der Friseur ist billig. Meint Ihr vielleicht, ich habe Lust, 20 Mark für einen Haarschnitt auszugeben? Ich glaube gar. Die Töchterfront hielt weiter dagegen. Andere sind auch nicht teuer. Uuund sie krotzen nicht die Haare ab. Du könntest nach B. fahren, dahin, wo Mami manchmal auch hingeht.
Das macht man nicht, sagte mein Vater. Man geht nicht zu einem anderen Friseur, wenn einer am Ort ist. Das gehört sich einfach nicht.

Damit endeten dann diese Diskussionen regelmäßig. Erst einige Jahre später wurde mir klar, dass es vielleicht gar nicht einmal nur um den billigen Haarschnitt gegangen war. Sondern darum, ein Zeichen zu setzen.

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Dienstag, 14. März 2006
Gleitflug
Als ich von den Unterlagen, die ich vor mir auf dem Küchentisch ausgebreitet habe, hochsehe und aus dem Fenster schaue, fliegt wieder ein Storch übers Haus hinweg. Für einen Augenblick sehe ich seinen weißen Bauch von unten, ganz nah. Als ich mich wieder über meine Papiere beuge, grinse ich im Kreis vor Glück.

Im Radio haben sie mittags gesagt, dass weltweit noch kein einziger Grippefall bei Störchen bekannt ist.

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Freitag, 3. März 2006
Der kleine Luxus (III)
Eigentlich hätte ich Herrn Kaatz heute zurückgeben müssen, aber ich mochte mich noch nicht von ihm trennen. Darum wird er mir noch ein halbes Jahr in der Küche Gesellschaft leisten.

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Mittwoch, 22. Februar 2006
Hold on

But it's so hard to dance that way
When it's cold and there's no music.

- Tom Waits: Hold on -

"Ansonsten vermisse ich Dich", schreibt der gute Freund aus Berlin. Vier Worte zur rechten Zeit. Eine andere Freundschaft ist vorgestern endgültig zerbrochen und das Leben ohnehin gerade etwas schwierig. Oh you got to / Hold on, hold on / You really got to hold on / Take my hand, I'm standing right here / And just hold on. Nun aber halte ich mich daran fest, lege mir Tom Waits in die Endlosschleife. Und halte weiter aus.

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Montag, 16. Januar 2006
Orangenstern

Will you just bend
Apples and Oranges

- Alien Ant Farm: Orange Appeal -

Ah, sagt meine Mutter, das ist eine dieser Navel-Orangen, mit denen geht das nicht so gut. In meiner Kindheit hatten die Apfelsinen noch kein Bauchknöppel nach außen. Mit dem Messer ritzt sie die Schale ein, während ich neben ihr sitze und für sie einen Brief an die Krankenkasse schreibe. Mein Vater, erzählt sie weiter, hat die Apfelsinen immer so geschält, anders kam es gar nicht in Frage.
Daher also hatte das meine Großmutter, denke ich.
Vorsichtig löst meine Mutter Streifen für Streifen die Schale ab. Hmm, schade, hier ist sie schon etwas gebrochen, das passiert leicht, sagt sie entschuldigend. Längst habe ich aufgehört zu tippen und schaue ihr zu, wie sie mir einen Orangenstern macht, ganz so, wie ich es mir von ihr erbeten hatte.



Als Kinder haben wir uns die dann auf den Kopf gesetzt, sagt sie dann noch,
und reicht mir den Stern.


Yes, this one ist for you.

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