Sonntag, 4. Juni 2006
Der Friseur meines Vaters
Jedes Mal wenn mein Vater beim Friseur gewesen war, gab es beim Mittagessen Diskussionen. Deine schönen Haare, sagte meine Mutter und seufzte dann. Warum hast Du sie Dir denn bloß wieder so kurz schneiden lassen?
Wir drei Mädchen wurden da deutlicher: Total verkrotzt, lautete das Urteil.
Mein Vater verteidigte sich stets damit, dass er so bald nicht wieder zum Friseur gehen wollte und sie sich deshalb hatte kurz schneiden lassen. Die töchterliche Inquisition ließ das Argument nicht gelten. Kannst Du nicht einmal zu einem gescheiten Friseur gehen? Musst Du denn immer zu dem?

Der Friseur war nur ein paar Straßen weiter. Damen und Herren Salon stand in schnörkeliger Leuchtschrift über den Schaufenstern, in denen Haarspraydosen und eine silberfarbenen Plastiktafel mit den Preisen standen. Hinter den halblangen weißen Stores sah man manchmal alte Frauen, die sich lila ondulieren ließen, ab und an auch einen Mann auf dem Frisierstuhl sitzen. Junge Leute sah man nie, zu altmodisch und bieder wirkte der Laden und auch der blonde Friseur, den man manchmal mit bravem Seitenscheitel, Herrenhandtäschchen und seinem Freund auf der Straße traf. Die beiden wohnten über dem Laden, ziemlich zurückgezogen, getuschelt wurde trotzdem.

Mein Vater blieb standhaft. Der Friseur ist billig. Meint Ihr vielleicht, ich habe Lust, 20 Mark für einen Haarschnitt auszugeben? Ich glaube gar. Die Töchterfront hielt weiter dagegen. Andere sind auch nicht teuer. Uuund sie krotzen nicht die Haare ab. Du könntest nach B. fahren, dahin, wo Mami manchmal auch hingeht.
Das macht man nicht, sagte mein Vater. Man geht nicht zu einem anderen Friseur, wenn einer am Ort ist. Das gehört sich einfach nicht.

Damit endeten dann diese Diskussionen regelmäßig. Erst einige Jahre später wurde mir klar, dass es vielleicht gar nicht einmal nur um den billigen Haarschnitt gegangen war. Sondern darum, ein Zeichen zu setzen.

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support your local gay couple?
und herrenhandtschen, die kommen wieder ! ganz groß! glaubs mir!

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Jemandem, der aus der Eifel stammt, muss ich wahrscheinlich nichts von Ausgrenzung erzählen. Die es eben auch in den Vororten von 280.000-Einwohnerstädten gab. Längst nicht alle grüßten zurück, wenn der Friseur auf der Straße freundlich Guten Tag wünschte, geschweige denn, dass sie von sich aus grüßten. Ich glaube auch nicht, dass sein Geschäft sonderlich gut lief.
Dass meine Mutter oder wir zu einem anderen Friseur gingen, war in den Augen meines Vaters übrigens kein Problem, er hat es nur für sich selbst nicht als richtig erachtet.

Mit Herrenhandtaschen verhält es sich ähnlich wie mit Schnauzbärten, beides zähle ich zu den Modesünden, die man besser nicht wiederholen sollte.

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Ich finde dieses Statement, das er offensichtlich mehr als nur einmal abgab, phantastisch! Ich mag so mutige und Stellung-beziehende Menschen.
Meine Großväter waren zur Nazizeit beide so und handelten sich jede Menge Schwierigkeiten ein und ich bin stolz darauf, mit ihren verwand zu sein.
Manchmal frage ich mich, ob es auch heute noch solche Menschen gibt? Soklche, die solche Dinge einfach tun, weil sie davon übereugt sind, das richtige zu tun. Die das aber nicht an die große Glocke hängen... solche, die es einfach machen?

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bei uns im dorf gab es, wie wohl in jedem dorf, in meiner kindheit eine abteilung 'ausgestoßene' oder 'dorfdeppen', in der alles gesammelt wurde, was nicht ins bauernraster paßte. da steckten denk ich einige harte schicksale dazwischen. würde sich wohl lohnen, da mal etwas zu forschen. mein onkel gehörte auch dazu.
soweit, daß da im umkreis von 50 km jemand öffentlich mit partner zusammenlebte, wäre es da mit sicherheit nicht gekommen. aus dem gemeinschaftsdruck nicht, und sicherlich auch deswegen, weil ein solcher horizont für die betroffenen erst gar nicht aufgekommen wäre.
heute allerdings wohnt 2 häuser neben meinem elternhaus ein schwuler amerikaner mit seinen kindern und seinem freund. bin fast tot umgefallen, als ich den und seinen blick auf der straße getroffen habe - und mit meiner seit 20 jahren unveränderten sicht der dorfwelt konfrontiert war.

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Als mein Vater Kind war, gab es rosa Winkel und der § 175 war verschärft worden. Ich habe nie ein böses Wort von ihm über Schwule gehört. Auch nicht von meiner Mutter, die in derselben Zeit aufgewachsen ist.
Außenseiter gab es in dem noch ländlich geprägten Vorort auch so einige, vielleicht erzähle ich irgendwann einmal davon (bislang habe ich davon nur Fragmente auf dem Rechner herumfliegen).
Und Musik hörte man aus dem Haus des Friseurs nie, aber damals gab es auch noch keine großen CSD-Paraden. Dafür gab es einen Fernsehsender, der sich aus dem gemeinsamen ARD-Programm ausschaltete, weil "Die Konsequenz" lief. Falls das einem von Ihnen überhaupt noch etwas sagt.

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kashka from baghdad
lives in sin they say
with another man
but no one knows who
and when all the alley cats come out
i can hear music from kashka´s house
at night they re seen
laughing, loving
they know the way to be
happy....

old friends never call there
some wonder if life´s inside ad at all
but there´s light in love you see
and when all the alley cats come out
i can hear music from kashka´s house...

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Das macht man nicht, sagte mein Vater. Man geht nicht zu einem anderen Friseur, wenn einer am Ort ist. Das gehört sich einfach nicht.

ich kann nicht genau sagen, warum mich der satz da so rührt. spontane sympathiewelle richtung vater.

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ja, irgendwie schon.
und was für eine feine geschichte...

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Wenn er's wüsste, würde er sich sicherlich darüber freuen, Frau Gaga. Wie wiederum ich mich über Ihr Kompliment gefreut habe, Herr Pappnase.

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