Montag, 20. Oktober 2008
"Wir haben der Freiheit kein Preisschild gegeben"
Die ganze Aufregung um Marcel Reich-Ranickis Programmkritik bleibt Debatten-Surimi, wenn nicht analysiert wird, was die betriebswirtschaftlichen Gründe dafür sind, dass investigative Journalisten eine vom Aussterben bedrohte Spezies sind. Journalisten, die hinterfragen, die in der tagesaktuellen Hektik inne halten und sagen: Moment mal! Diese Journalisten gibt es immer weniger. Und dies hat betriebswirtschaftliche Gründe. (...) Große, namhafte Verlagshäuser zahlen € 50 für Artikel und schämen sich nicht. Hätten wir eine Stechuhr, könnten wir ausrechnen, dass die Reinigungskräfte in diesen Häusern mehr verdienen, als diejenigen, die Gesetze analysieren oder öffentlich machen, wie Unternehmen Politiker und Bürger belügen und immer neue Millionen vom Steuerzahler fordern. Die Vierte Gewalt ist pleite. Niemand hat den Mumm, dies einzugestehen.

- Telepolis: Wann kommt die Bankrott-Erklärung der Vierten Gewalt? -

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Aber was tun? Diese "Vierte Gewalt" ist nun mal betriebswirtschaftlich organisiert. Verbeamtete Journalisten? (ÖR/GEZ ist ja fast schon sowas.)

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Gerade deren Gehaltsexzesse der früheren Jahre führte ja langfristig zu den Einsparungen - erst bei den Festanstellungen, dann bei den Honoraren für die freien Journalisten, seien es die "festen Freien" oder die ganz freien. Angeblich bekommen viele ehemalige Rundfunkredakteure im Ruhestand mehr Geld als so manche Journalisten, die noch aktiv in den Funkhäusern arbeiten. Das las ich zumindest einmal irgendwo in einem Artikel, vielleicht finde ich den Link ja wieder.

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Dieser Beitrag beschäftigt mich, seit ich ihn gelesen habe. 50 €/Artikel. Das wäre vielleicht angemessen, um eine längere Agenturmeldung etwas umzuformulieren. Aber das ist wohl nicht gemeint.

Abgesehen von den gesellschaftlichen Auswirkungen in demokratischen Systemen: Weshalb arbeitet man unter solchen Bedingungen? Und was kam früher: die Meinung, das Publikum wolle es simpel und ziehe Emotionen den Fakten vor, oder die unanständigen Löhne und Honorare?

(Den Qualitätsverlust bemerkt man jedenfalls als Konsument. Es sind nur sehr wenige Gebiete, in denen ich mich etwas auskenne. Höre oder lese ich einen an Laien gerichteten Beitrag dazu, so fällt mir seit Jahren unangenehm oft auf, dass wesentliche Informationen fehlen. Auch in "angesehenen" Medien und selbst dann, wenn es sich um einen Hintergrundbericht handelt. Das beeinträchtigt mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit aller Artikel und Beiträge. Von Bekannten aus dem Gewerbe höre ich auf Nachfrage immer, die Informationen seien nicht verfälschend, sondern publikumsgerecht: Leser und Hörer wollten es eben einfach, konsistent und vor allem emotionalisiert. Gleichzeitig höre ich seit Jahren die Klage über sinkende Publikumszahlen. Diese Zahlen kann ich nachvollziehen. Ich halte mir auch keine Tageszeitung mehr, seit ich den Artikeln nicht mehr traue. Hingegen wäre ich durchaus bereit, einen ordentlichen Preis für anständige Reportagen zu bezahlen, und ich bezweifle, dass ich damit allein bin.)

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50 Euro für einen Artikel sind nicht ungewöhnlich, sind 100 Zeilen à 50 Cent, das ist durchaus das, was auch überregionale Zeitungen zahlen. Regional- und Lokalzeitungen zahlen oft viel weniger. Der Negativrekord, von dem ich hörte, war ein kleines Käseblatt in der Nähe von München, das zahlt 7 Cent die Zeile. Bei vielen kleineren Blättern müssen die Journalisten auch die Bilder knipsen. Mehr als knipsen ist es dann aber auch in der Regel nicht. Von einigen großen Zeitungen ist häufiger zu hören, dass sie ganz offen darauf verweisen, dass eine Veröffentlichung ja gut sei fürs Renommee des Schreibenden.

Warum arbeitet man unter solchen Bedingungen? Etliche tun es, weil sie ihren Beruf trotzdem lieben. Andere, wie Schüler und Studenten, weil sie hoffen, in ihm Fuß zu fassen und meist mit der Illusion, eines Tages bekämen sie die nach Tarif bezahlte Festanstellung (die Zeiten dürften aber perdu sein). Und dann gibt es noch die ganzen Hobbyschreiberlinge, die ihren Namen gern gedruckt sehen und aufs Honorar nicht angewiesen sind, weil sie ihr Geld anderweitig verdienen.

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Angenommen, es handelt sich weder um ein Interview noch um einen Bericht über eine Veranstaltung, und angenommen, der Journalist oder die Journalistin kennt sich gut aus mit dem Thema: Wie groß ist dann der "typische" Rechercheaufwand (zeitlich), und wie lange dauert das Ausarbeiten der 100 Zeilen?

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