Samstag, 22. Februar 2014
Fragen der Menschheit (XLVI)
Warum sind in neueren französischen Filmen die weiblichen Hauptfiguren eigentlich meistens etwas neurotisch?

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Können Sie uns ein Beispiel geben, wodurch sich eine solche etwas neurotische Hauptfigur auszeichnet?

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Hmm, wie soll ich das beschreiben? Neurotisch halt. Die wirken häufig reichlich überdreht und benehmen sich seltsam. Sie handeln oft irrational und strapazieren die Geduld anderer ziemlich über. Meine zumindest.

Einfacher wäre es wahrscheinlich, ein paar Filme zu nennen, in denen solche Frauen vorkommen. Valeria Bruni Tedeschi, zum Beispiel, spielt in ihren Filmen, für die sie selbst die Drehbücher geschrieben und auch Regie geführt hat, solche neurotischen Frauen.

OK, ein anderes Beispiel: In Non ma fille, tu n'iras pa danser (aka Making Plans for Lena) fühlt sich die Hauptfigur Léna von allem leicht überfordert. Das ist nachvollziehbar, denn sie hat vor einem halben Jahr ihren fremdgehenden Ehemann verlassen und ihren Job hingeschmissen, jetzt wurschtelt sich mit den beiden kleinen Kindern irgendwie alleine durch. Außerdem ist sie frustriert, weil sie keinen Sex hat. Verständlich.

Sie flüchtet mit ihren Kindern aufs Land zu ihrer Familie, deren Mitglieder allesamt nichts besseres zu tun haben, als irgendwelche Pläne für sie zu schmieden und außerdem nicht gerade nett zu ihr sind. Blöde Idee, also. Schließlich weiß sie, wie ihre Familie drauf ist, sie kennt das schon. Sie reagiert darauf wie ein kopfloses Huhn, ändert permanent ihre Meinung und bricht ständig in Tränen aus. Im Grunde braucht sie dringend einmal jemanden, der sie in den Arm nimmt und festhält. Den einzigen Menschen, der nett zu ihr ist und sich sehr um sie bemüht, obendrein in sie verliebt ist und auf den sie im Grunde steht, schubst sie jedoch mit aller Kraft weg. Dieser Mann wird von Louis Garrel (siehe Trailer) gespielt - wie gestört muss man eigentlich sein, um so jemanden abblitzen zu lassen?

Nachtrag: Am Ende verliert sie übrigens die Kinder an ihren Mann, nachdem ihr Sohn absichtlich durch eine geschlossene Glastür gestürzt ist, um sich zu verletzen. Ihren Mann hatte sie übrigens in dem ersten halben Jahr nachdem sie ihn heimlich mit den Kindern verlassen hatte, kein einziges Mal die Kinder sehen lassen. Nachdem die Kinder weg sind, zieht sie ohne deren Wissen aus der Wohnung aus, in der sie mit ihnen gewohnt hatte. Ach ja, Sex hat sie dann immer noch keinen und auch niemanden, der sie mal in den Arm nimmt und festhält.

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Oh, das ist interessant, mir ging es mit deutschen Filmen so, deren Frauen mir völlig fremd blieben, und oft war ich nah daran, ihnen auf der Leinwand zuzurufen: Mais non,…..
Kennen Sie, Je l'aimais da gibt es einen neurotischen Mann, auch wenn die Frau( en ) auch eigen sind, aber ich finde immer gibt es Frauenpersönlichkeiten und nicht nur Mademoiselles, die am Arm der Herren schwanken.

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Gee! Ich glaube kaum, dass ich den Begriff Macke wissenschaftlich korrekt verwende, doch eine kleine Macke hat der Erfahrung nach unter Umständen eine Frau auch besonders interessant erscheinen lassen. Ich wiederhole: eine kleine.

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@ marie-sophie: Den Film kenne ich nicht, ich habe nur vor Jahren einmal das gleichnamige Buch gelesen, auf dem der Film basiert.

Wissen Sie noch, bei welchen deutschen Filmen Ihnen das so erging? Vielleicht kenne ich die auch. Das wäre einmal interessant zu vergleichen.

Meine Französischlehrerin wirkt übrigens kein bisschen neurotisch. Deshalb frage ich mich ja, ob das ein Filmkonstrukt ist.

@ fritz: Kleine Macken haben wohl die meisten Menschen. Das meinte ich nicht.

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Ich habe schon geahnt, dass Ironie in diesen Filmen nicht vorkommt.

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Valeria Bruni Tedeschi wurde in einigen Kritiken bescheinigt, ihre Figuren mit Selbstironie zu spielen, aber dieses Nervenbündel in "Actrices" wirkte auf mich auf Dauer eher etwas nervig. Falls jemand einmal den Trailer anschauen möchte, gibt es da den französischen und dort den deutschen Trailer*, der anders geschnitten ist und dessen Synchronstimmen nicht so angenehm klingen wie die Originalstimmen.

Und Honoré hat zwar in anderen Filmen Humor bewiesen, aber in diesem heult Léna einfach zu oft und lacht nicht einmal über sich selbst.

* Falls übrigens jemand einmal herausfinden muss, ob er Links- oder Rechtshänder ist, reicht es, spontan in die Hände zu klatschen.

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Was ich aber wiederum sehr angenehm an den meisten Frauenfiguren in französischen Filmen finde: Sie sehen halbwegs normal aus, soll heißen, nicht vom Chrirurgen optimiert. Sie sind zwar schlank, haben aber kein Sixpack, ihre Brüste sind echt*, mitunter sind sogar ein paar Dellen in den Oberschenkeln zu sehen, sie haben keine Entenschnuten und ihre Mimik wirkt auch nicht gelähmt.

* Marion Cotillards sind es allerdings nicht mehr. Ausgerechnet die Frau ließ sie sich vergrößern, die mal den Forehead Tittaes-Spot drehte.

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"Man müsste" sich jeden Abend in ein Klubkino setzen und dann alle Filme durchschauen. So wie neulich, als ich mit einem Freund unterwegs war und drei Stunden Wartezeit hatte, und das nächste Kino war ein Klubkino und es lief ein Film von dem Saxofonspieler Klarinettenspieler, es war wohl To Rome With Love.

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Ja, schon schade, dass es haufenweise hervorragende Filme gibt, die man nie sehen wird.

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Catherine Deneuve ist in Bunuels Filmen alles andere als neurotisch. Emmanuelle Béart in Die schöne Querulantin auch nicht. Auch sind die Frauen in Rohmers Filmen gar nicht neurotisch.

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Vielleicht hätte ich es besser präzisieren sollen, ich meinte neuere französische Filme. Zur schönen Querulantin kann ich nichts sagen, den habe ich nicht gesehen. Geschichten über die Kombination alter Mann/junge Frau locken mich so gar nicht ins Kino. Und bei der Figur der Belle de Jour kann man geteilter Meinung sein, meinen Sie nicht?

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@ arboretum Mein erster deutscher Film war die Legende von Paul und Paula, ich fand die Figuren zum Grausen. Dann folgte eine lange Pause, Barbara ist mir als schrecklich in Erinnerung, die Frau blieb mir fern, was immer an Feuchtgebieten als komödiantisch gilt, ich vermag es nicht zu ermitteln, die Witwe in Über uns das All, blieb mir fremd, Mitte Ende August verfolgt mich bis heute und auch Kriegern, zeigte eine Rolle, aber keine Frau. Oh je….

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Von den genannten Filmen kenne ich nur Paul und Paula - ein Defa-Film, also einer aus der DDR - und Barbara, der in der DDR spielt. Die Filme von Christian Petzold haben eine ganz eigene Atmosphäre. Was genau fanden Sie an dem Film oder der Figur so schrecklich?

Petzold und die Schauspieler sahen sich zur Vorbereitung des Films übrigens unter anderem Werke von Claude Chabrol an, heißt es.

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