Montag, 23. Januar 2012
Gloomy Monday
Manchmal machte er mich fast wahnsinnig, manchmal unterhielten wir uns ganz nett und manchmal tat er mir einfach nur leid. Er kam in die Manufaktur, nachdem das Kontor die Werkstatt, in der er zuvor arbeitete, dicht gemacht hatte. Im Kontor wollten sie ihn nicht haben, und auch in der Manufaktur waren die Kollegen nicht unbedingt begeistert. Er arbeitete schnell, produzierte aber auch häufiger Schrott. Die Arbeiter in der Qualitätskontrolle ließen seine Schneekugeln immer bis zum Schichtende liegen, mochten sie nicht polieren, sondern schoben einander den schwarzen Peter zu. Lieber rissen sie sich unsere gegenseitig aus den Händen. Es dauerte auch nicht lang, da krachte es mit zwei der anderen in der Manufaktur. Richtig gelöst wurde der Konflikt nie. Dass er am meisten von allen verdiente, mehr noch als der Vorarbeiter, machte die Sache in den Augen der anderen auch nicht besser.

Als im vorigen Sommer dann wieder einmal Schlachtzeit war, da guckten sich die im Kontor auch ihn als freiwilliges Opferlamm aus. Er wusste, dass er jede Klage dagegen gewinnen würde, schließlich war er schon seit fast drei Jahrzehnten dabei. Er wusste jedoch auch, dass sie ihm das restliche Arbeitsleben zur Hölle machen könnten - und würden. Also unterschrieb er und nahm das Geld. Mein Haus ist abbezahlt, meine beiden Töchter sind erwachsen und stehen auf eigenen Füßen, sagte er. Auf seine Töchter war er sehr stolz. Er wolle jüngeren Kollegen eine Chance geben, die brauchten den Job schließlich dringender, sagte er noch. Aber es traf ihn trotzdem zutiefst.

Eigentlich wollte er noch bis Ende des Jahres bleiben, doch nachdem der Vorarbeiter ebenfalls genötigt worden war zu gehen und darum nicht mehr länger den Deckel darauf hielt, eskalierte die Situation: Die Manufaktur implodierte.
Ich erfuhr es erst im Nachhinein, ich war an dem Tag nicht dort. Bis auf eine Kollegin, die einen kleinen Sohn und einen arbeitslosen Ehemann daheim hat, gingen plötzlich alle fort. Die Abschiedsfeier verlief entsprechend. Ich war die einzige, die ihm zum Abschied etwas schenkte. Egal was war, ich fand es unanständig, ihn so grußlos gehen zu lassen. Er war gerührt, sagte leise, ich sei in der Manufaktur sein Lichtblick gewesen.

Später schrieb er mir nochmals einen Dank: Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich mich über Deine Abschiedsgabe gefreut habe, arboretum. Natürlich - was für ein blödes inhaltsleeres Wort - habe ich mich riesig gefreut. Und Deine Karte gehört mit dem Buch zu meinem positiven Erinnerungen an eine nicht immer unproblematische Zeit.

Im Dezember kam er einen Tag nach seinem 61. Geburtstag nochmals in der Manufaktur vorbei. Strahlend erzählte er, dass er doch nochmals einen Job gefunden habe, anspruchsvoll und sogar genauso gut bezahlt. Am 2. Januar solle es losgehen, gewiss, er habe wieder ein halbes Jahr Probezeit, aber das schaffe er schon. Ich freute mich aufrichtig für ihn, wünschte ihm einen guten Start. Heute Mittag kam dann der Anruf von einem Zulieferer. Ob wir wüssten, dass er am Samstag einen Herzinfarkt erlitten habe …

In den vergangenen sechs Jahren sind drei Kollegen, mit denen ich in der Manufaktur zusammen gearbeitet habe, gestorben. Einer wurde wiederbelebt und ist seither berufsunfähig, für sie und ihn kam jede Hilfe zu spät.

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To the Pain

Take me to the pain,
and all the way back again.

- Nonpoint: To The Pain -

An der Werkbank arbeitet es sich irgendwie nicht so gut, wenn links die Hand leicht taub ist vom Schmerz, der vom Nacken den Arm herunterzieht, und rechts das Handgelenk ohnehin schon muckt. Man kommt ja auf die albernsten Ideen, wenn einen Schmerzen plagen, ich habe doch eben ernsthaft darüber nachgedacht, ob ich heute einmal Lotto spielen soll, um mir dann vielleicht die nötige Behandlung leisten zu können. Nun ja. Sich sowas auszumalen, hilft auch schon. Einstweilen gilt, was ein leidgeplagter Blogger stets zu sagen pflegte: Immer weitermachen.

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Valle del Cartiere (II)






Mehr Bilder von den Papiermühlen in den Kommentaren.

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Samstag, 21. Januar 2012
Valle delle Cartiere (I)


Mehr Bilder in den Kommentaren. Vielleicht schreib ich auch noch etwas dazu, mal sehen.

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Freitag, 20. Januar 2012
Cleaning Woman
Eigentlich ist es ja ganz praktisch, wenn man früh aufwacht an Tagen, an denen man noch die ganze Wohnung schrubben muss, weil man sich Besuch eingeladen hat. Dummerweise kann man morgens um halb vier aber keinen Staubsauger anwerfen, jedenfalls nicht, wenn man in solch einem hellhörigen Haus wohnt wie ich.

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Donnerstag, 19. Januar 2012
Ruinenreisende
An alle Besucher, die wegen der Industrieruinen hierher kommen: Sie finden unter den Bäumen welche hier, hier (Maschinenfabrik Philipp Swiderski, Leipzig) und da (Buchdruckerei Bernhard Meyer, Leipzig) sowie dort, dort und dort (Valle delle Cartiere die Toscolano Maderno). Im Übrigen möchte ich Ihnen auch noch das Blog der Schneeeule ans Herz legen, die häufiger und besser Industrieruinen fotografiert als ich.

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Donnerstag, 19. Januar 2012
Große Bäume

Tall tree stand in the distance
Remember when you were green
Don’t wipe the salt from your skin
You must keep running the distance

- Crowded House: Tall Trees -

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Temperatursturz

Even when you're feeling warm
The temperature could drop away
Like four seasons in one day

- Crowded House: Four Seasons in One Day -

Dein hitziges Temperament bekam ich manchmal zu spüren. Dann traf mich Dein Zorn, der eigentlich anderen galt. Ich war halt gerade da, als Du explodiertest. Aus heiterem Himmel fingst Du loszudonnern an, im ersten Moment wusste ich gar nicht, wie mir geschah. Alsbald warf ich Blitze dagegen, denn auch ich besitze Temperament. So schnell es kam, so schnell verzog sich das Gewitter. Wir blieben einander nie lange böse und vertrugen uns immer ohne viele Worte. Es dauerte nicht lang, da lachten wir wieder miteinander, als sei nichts geschehen.

Diesmal ist es anders. Du grollst mir anscheinend, sagst mir aber nicht warum. Antwortest mir nicht einmal dann, wenn ich Dich direkt nach dem Grund frage.

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Montag, 16. Januar 2012
Ausgesaugt und tiefgekühlt
Es reicht anscheinend nicht, dass sie uns in der Manufaktur aussaugen, jetzt werden wir auch noch tiefgekühlt.

Vor etwa zwei Jahren gingen dort einige Heizkörperventile kaputt, auch an dem Heizkörper neben der Werkbank, an der ich arbeite, wenn ich dort bin. Seither gab es nur die Wahl zwischen "an" oder "aus", und wenn die Heizung erst einmal aus gewesen war, brauchte man eine Rohrzange, um sie wieder warm zu bekommen. Seit vorigen Herbst funktionierte auch der Heizkörper im Nachbarszimmer kaum noch, es war dort immer recht frisch. Ab und an kamen deswegen irgendwelche Hausmeister, aber das änderte nichts daran.

Vor ein paar Wochen wurde es mir zu bunt, ich telefonierte und mailte selbst herum. Daraufhin erschienen heute zwei freundliche Herren, die endlich die defekten Ventile austauschten ... Mit dem Ergebnis, dass danach gar kein Heizkörper mehr funktionierte, sieht man einmal von dem im Vorraum der Damentoilette ab. Aber da steht zum einen keine Werkbank, zum anderen funktioniert dort eh das Licht nicht mehr. Uns blieb also nichts anderes übrig, als den ganzen Tag lang erbärmlich zu frieren.

Und ich muss da morgen wieder hin. Seufz.

Falls sich jetzt jemand fragt, welch desolate Zustände eigentlich dort herrschen ... nun ja. Die Gnadenfrist läuft Ende des Jahres, spätestens Mitte des folgenden Jahres ab, dann gibt es wahrscheinlich einen großen Knall. Aber davon lesen Sie dann schon in der Zeitung.

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