Sonntag, 12. November 2006
Japanische Mundgefühle
Im Japanischen, erklärte mir die beste Freundin, wird nicht einfach nur nach süß, sauer, salzig oder bitter unterschieden wie bei uns, sondern nach dem Mundgefühl. Sie griff nach der Tüte mit dunkelgrünem Knusperkram, den uns meine japanischen Freunde mitgebracht hatten. Ich habe ’mal gehört, sie haben dafür über 400 Begriffe, fuhr sie fort, während sie die Tüte aufriss. Beherzt steckte sie sich ein paar der Algen-Chips in den Mund. Amüsiert beobachte ich sie, wie sie ihr Gesicht verzog. Schmeckt molchig?, fragte ich. Stumm nickte sie mit dem Kopf und schluckte tapfer herunter.

Wir haben hier noch solche Cracker mit irgendetwas rosafarbenen darauf, sagte ich und reichte ihr die nächste Tüte. Skeptisch betrachtete sie deren Inhalt. Hoffentlich ist das kein Meeresgetier, ich mag doch kein Meeresgetier, antwortete sie, öffnete die Tüte, langte hinein und biss in einen Cracker. Ihr Gesicht sprach Bände. Das schmeckt wohl auch wie Molch auf der Unterseite, stellte ich fest. Allerdings, sagte sie. Eindeutig fischig.

Magst Du ’mal die Sesamklumpen probieren? Ich bot ihr die dritte Tüte an. Von meinen Freunden hatten wir uns als Mitbringsel japanische Süßigkeiten gewünscht. Die Kinder, hatten wir geschrieben, wüssten schon, was gut sei. Sesamklumpen, hatte uns der Freund abends in der Kneipe erzählt, seien bei Kindern sehr beliebt.

Lass uns lieber die Teeküchlein versuchen, befand die beste Freundin und griff nach der aufwendigen Verpackung. Sieht ja sehr hübsch aus. Alle einzeln verpackt. Wir schauten uns die bunten Bildchen auf der Rückseite an. Das Grüne da ist wahrscheinlich Pistazie, meinte sie. Aber genau kann ich es Dir nicht sagen, die Wörter hier hatten wir im Japanisch-Kurs noch nicht. Wir kosteten von allen vier Sorten. Außen erinnernen die alle irgendwie an Biskuit, fand sie. Und innen fühlen sie sich an wie halbfertig gebackener Teig, ergänzte ich. Ansonsten schmecken die undefinierbar süß.

Mit Desserts und Süßem haben sie es in Japan anscheinend nicht so, schlussfolgerte sie. Optisch machen die irgendwie mehr her. Oh Mann, ich bin ja mal gespannt, wie das wird nächste Woche in Japan, sagte sie dann.
Ich grinste. Bestimmt wirst Du jede Menge neuer Mundgefühle erleben.

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