Freitag, 27. Juli 2007
Auf dem Heimweg
Im Nachtbus lasse ich den Tag, der mit einem Lachen begann, Revue passieren. Wie fröhlich wir waren - und garantiert kein bisschen unsichtbar (in einigen, nun ewigen Augenblicken war ich sogar schön wie nie). Viel zu erzählen gab es auch, die Stunden vergingen so rasch. Eben war es doch noch vormittags um elf, und plötzlich ist es halb zwei Uhr in der Nacht. Müde, aber reich beschenkt mit Musik, Bildern und Erinnerungen fahre ich nach Hause.

Frankfurter Tor, ich muss aussteigen. Ich habe es nicht weit, nur ein Stück die düstere Petersburger hoch. Hoffentlich erwische ich keinen Hundehaufen in der Dunkelheit, aber gestern Nacht hat das ja auch gut geklappt. 50 Meter vor mir gehen zwei angetrunkene Typen, ein Dritter mit einem Fahrrad ist auch dabei.
Sie johlen laut, im Dunkeln schallen ihre Stimmen weit. An denen mag ich nicht vorbei gehen, darum passe ich mein Tempo ihrem etwas an. Ich komme an einem älteren Ehepaar vorbei, die gerade von außen einen langen Rollladen herunterlassen. Vielleicht haben die Drei hier getrunken. Ich gehe weiter, die Männer sind nicht mehr zu sehen.

Als ich den großen Platz erreiche, höre ich das Johlen plötzlich wieder, diesmal aber hinter mir. Ich gehe weiter, überquere die erste kleine Straße. Das Johlen wird lauter, die Fahrradbremse quietscht. Ey, ey, tönt es hinter mir. Bloß nicht umdrehen. Mein Ei ist so hart, ruft der eine, die anderen johlen. Schön für Dich, denke ich, dann hast Du ja gleich was morgen zum Frühstück. Ich überquere die nächste Straße, beschleunige meinen Schritt, aber nur etwas. Rennen ist schließlich die Aufforderung, gejagt zu werden. Ohnehin hätte ich dafür die falschen Schuhe an. Das Johlen wird noch lauter, kommt näher. Jetzt weiß ich, dass sie tatsächlich hinter mir her sind. Verdammt, denke ich, das ist mir ja schon lange nicht mehr passiert.

Ich biege in die Straße ein, in der die Freunde wohnen. Ein einsamer Mann kommt mir im Dunkeln entgegen. Würde der mir notfalls helfen? Keine Ahnung, sein Gesicht ist nicht zu erkennen. Und überhaupt, er ist allein, die zu dritt. Den Haustürschlüssel habe ich schon herausgekramt, ich schlängele mich zwischen den Autos durch, wechsele auf die andere Straßenseite. Die drei sind jetzt an der Ecke, vielleicht auch noch näher. Bloß nicht umdrehen. Da, endlich, das Haus. Ich treffe auf Anhieb das Schlüsselloch, witsche durch die Tür, versetze ihr hinter mir einen Stoß. Ich bin noch nicht die drei Schritte zum Lichtschalter in der großen Toreinfahrt gegangen, da sehe ich durch die vielen Scheiben den Fahrradfahrer an der Tür. Er fasst an die Klinke, aber die Tür bleibt zu.

Weil Tage, die mit einem Lachen beginnen, auch gut enden.

... comment

 
hey HEY

der erste teil kommt mir irgendwie bekannt vor.
ich hatte da neulich eine ähnliche begegnung. (ich meine jetzt nicht den zweiten teil mit den herren - die zeiten sind bei mir ja nun wirklich vorbei)

allerdings traf ich jemanden - nun ja. sie würden mir wohl nicht glauben, wenn ich den namen nenne. man würde mich der prahlerei bezichtigen. auch sind einige der ansicht, sie würde gar nicht mehr unter uns weilen. also halte ich lieber ganz den mund. und ich weiß, dass sie das verstehen frau garboretum.

danke.

... link  

 
I want to be left alone, hätte in der Situation auch hervorragend gepasst. Und was den zweiten Teil angeht, dafür ist man wohl nie zu alt, fürchte ich. Ich hätte nämlich auch nicht gedacht, dass mir das nochmals passiert.

Nachtrag: Ich glaube, das letzte Mal, das mir ein Kerl bis zur Haustür folgte, war vor vielen, vielen Jahren in London. Ein Rasta, wollte mich in die illegale Reggae-Disco nebenan nötigen. Der Kerl war aber ziemlich bekifft, so dass ich seine Arme leicht wegschlagen konnte. Dort in Brixton waren die Lampen übrigens auch so gelb-orange, fällt mir gerade wieder ein. Es war aber nicht so dunkel wie in Friedrichshain.

... link  

 
Vor dem einen Hofeingang bei mir daheim hängen auf der Straße übrigens auch diese gelben Ostlampen herum. Aber sie stehen dichter, man hat also noch eine gewisse Chance, die vielen Hundehaufen zu erahnen. Das ist der zweite Nachteil an diesen DDR-Lampen: Man sieht nicht, wohin man tritt. In den meisten Städten in Ostdeutschland ist das kein Problem, da liegt nur wenig Hundekacke herum, aber in Berlin sind solche Lampen wirklich eine Zumutung. Mal ganz abgesehen davon, dass die unebenen Bürgersteigplatten auch so ihre Tücken haben.

... link  


... comment
 
Und dann dieser ohnmächtige Ärger, dass jeder, wirklich jeder, der laut und unverschämt und dabei männlich ist, diese Angst mit ein paar Worten und Gesten hervorrufen kann. Zorn des Ausgeliefertseins.

... link  

 
Anfangs hielt ich es nur für das Übliche, nicht weiter bedrohlich, sondern nur lästig. Kennt man ja von Männern. Angst bekam ich erst, als ich merkte, dass sie mich verfolgen.

Im Übrigen merke ich bei der trüben Ostbeleuchtung mit ihren gelben, weit von einander entfernten Lampen immer wieder meine West-Sozialisation: Ich habe gelernt, dass Frauen im Dunkeln auf den Straßen nur ein Transitvisum haben. Ich gehe dann wachsamer durch die Straßen, nie zu nah an dunklen Hauseingängen vorbei, nie zu nah an den parkenden Autos entlang. Von gleichaltrigen Frauen, die im Osten aufgewachsen sind, weiß ich, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, dass nachts alleine auf der Straße herumzulaufen sehr schnell ungemütlich und gefährlich werden kann.

... link  


... comment
 
An solchen Tagen wünsche ich mir immer, irgendwann mal Selbstverteidigung gelernt zu haben.
Das Gefühl der Ohnmacht im Fall der Fälle ist doch das schlimmste daran.

... link  

 
Mich hat als junges Mädchen immer die Schilderung meiner Mutter beeindruckt, wie sie mal einen Mann, der sie erst mit dem Fahrrad verfolgt, schließlich vom Rad abgestiegen war und sie kurz vor ihrer Haustür gepackt hatte, mit dem eisenbeschlagenen Absatz eines ihrer Pumps verdroschen hat. Die Wut hätte ihr eine unglaubliche Kraft verliehen, sagte sie immer, der Mann, der damit nicht im geringsten gerechnet hatte, hätte einige Blessuren davon getragen und von ihr abgelassen.

... link  


... comment
 
Erstaunlich, fürchterlich, mir als mann beschämend.

Stadtluft macht wahrlich frei: von Sinn, Anstand, Würde, Gerechtigkeitssinn...

... link  

 
Man erlebt auch auf dem Land seltsame Sachen, was das angeht.

... link  


... comment


To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.