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Zitternd und mit einem flauen Gefühl schalte ich meinen Rechner ein. Sie ist leicht zu finden, und die wenigen Fakten aus ihrem Leben, die ich lese, könnten passen. Ich stoße auf einige ihrer Schneekugeln: routinierte Massenware mit Hilfe vorgefertigter Schablonen. Kein Glitter, kein Glanz. Keine Intensität. Zwei Preise gab’s trotzdem, nun denn. Auch ein Foto entdecke ich von ihr. Sie ist brünett.
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aber ich liebe dich doch tiefer
und bedingungsloser
als irgend jemand auf der welt
nur glaube ich nicht immer dran
- Manfred Hausmann -
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Auf dem Standesamt wartet eine andere Beamtin als die, bei der sich Amaryllis und Safran angemeldet haben. Verstehen Sie Deutsch, fragt sie Safran. Ja, klar, antwortet er. Dummerweise versteht sie aber nichts von ausländischen Namen. Genaugenommen auch nicht so viel von deutschen, jedenfalls ist der einzige Name, den sie während der ganzen Zeremonie korrekt ausspricht, der Geburtsname meiner Schwester. Alle anderen sagt sie andauernd so falsch, dass es mir geradezu in den Ohren schmerzt.
Die Standesbeamtin ist so irritiert, dass Amaryllis und Safran die Ringe nicht auf dem Amt, sondern erst in der Kirche tauschen wollen, dass schließlich die beiden auch etwas irritiert sind und glatt vergessen, sich zu küssen. Was die Standesbeamtin noch mehr irritiert. Wenn Safran keinen deutschen Pass hätte, würde sie womöglich eine Scheinehe vermuten. Jedenfalls guckt sie so.
Der zweite Tag des Hochzeitsfests beginnt damit, dass ich mir nun selbst kräftig den Kopf ramme. Ich gehe fast zu Boden, sehe vor Schmerzen Sternchen und fluche leise. Als ich vorsichtig die Beule auf meiner Stirn betaste, habe ich Blut an den Fingern. Es hilft nichts, es muss so gehen, in anderthalb Stunden beginnt der Traugottesdienst.
Die Führung durch den Park, in dem wir die Hochzeit feiern, verzögert sich. Erst ist unser Vater plötzlich verschwunden, dann sein Bruder und schließlich beider Schwester. Alle anderen stehen herum und warten, und kaum ist es endlich losgegangen, gibt es einen Platzregen, sie müssen umdrehen. Dann machen wir den Sektempfang eben früher. Den Gästen gefällt es trotzdem. Nur verabschieden kann sich meine Schwester später nicht mehr von ihnen, ab Mitternacht ist ihr speiübel. Sie hat sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen und verbringt die Hochzeitsnacht im Badezimmer.
Aber sonst war es ein sehr schönes Fest.
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Ich bin nur zufällig vorbeigekommen, sage ich. Wollte eigentlich bloß eine kurze Pause machen und etwas trinken. Aber hier scheint eine Feier zu sein.
Ja, wir feiern hier Hochzeit, sagt Moritz. Oh, wer ist denn die Glückliche, frage ich höflichkeitshalber und blicke unauffällig umher, ob Du etwa auch da bist.
Ich, sagt eine Brünette, die plötzlich neben uns steht, strahlend vor Freude. Meine Augen finden Dich in der Menge. Du siehst nicht glücklich aus, bemerkst mich aber nicht. Herzlichen Glückwunsch, sage ich zu ihr. Ich bin übrigens Arboretum.
Und das ist mein Mann, sagt sie und zieht Dich am Arm herbei.
Wir stehen uns gegenüber, schauen uns an in peinlicher Verlegenheit. Keiner von uns beiden weiß etwas zu sagen. Du, weil Du es mir nicht vorher erzählt hast. Ich, weil ich uneingeladen hereinplatzte wie die dreizehnte Fee.
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Wann fahl es wird in dem Hotel
Und knarrt das leere Bettgestell
Und seufzt der Flur vor Einsamkeit
Ist es die allerbeste Zeit
Um von der Glut zu schreiben.
- Wenzel: Wann sich im Herd die Asche wellt -
Kurz darauf kommt noch ein Paar, älter als ich - er noch etwas älter als sie -, und setzt sich rechts neben mich. Sie sei viel zu warm angezogen, sagt sie entschuldigend, als sie sich neben mir aus ihrer Jacke und ihrem Pullover schält. Sie dachte, das Konzert wäre vielleicht doch im Freien. Ich war mir auch nicht sicher, habe es aber einfach einmal riskiert und meine Jacke im Auto gelassen, antworte ich. Kennen Sie Wenzel, fragt sie mich daraufhin. Nein, eigentlich gar nicht, entgegne ich. Nur aus dem Film und von den paar Hörproben auf seiner Website. Und Sie? Ich habe ihn auch erst durch ihn kennen gelernt, sagt sie und deutet auf ihren Mann, der höre ihn schon ganz lange. Ich war auf einem seiner ersten Konzerte, schaltet sich der Mann nun ein, da war Wenzel noch ein ganz junger Mann. Spätestens jetzt weiß ich, dass er aus dem Osten, sie aber aus dem Westen ist. Angeblich sollen deutsch-deutsche Lieben in dieser Konstellation ja nicht so gut funktionieren, zumal in dem Alter, aber auf mich wirken die beiden ganz glücklich und zufrieden miteinander.
Ich mag die Musik sehr, sagt sie. Ich bin mal gespannt, wie sie Ihnen gefällt. Den Pullover trägt er immer auf der Bühne, flüstert sie mir gerade noch zu, als Wenzel auf die Bühne kommt und schnurstracks zum Klavier geht.

Der Mann ist eindeutig Blogger-kompatibel, denke ich und grinse in mich hinein.
Das Meer kommt häufig in seinen Liedern vor. Später werde ich in einem Interview lesen, dass er mit "Ein Schiff mit acht Segeln …" aufgewachsen ist, sein Vater hörte beim Malen grundsätzlich Brecht-Lieder. Die Eltern waren beide Lehrer, die Familie lebte in Wittenberg. Sein pubertärer Protest gegen sein atheistisches Elternhaus habe darin bestanden, die Bibel zu lesen und Bach zu hören, Orgelmusik, das Sakrale, erzählte er. Beides hört man mitunter, Brecht und Weill in Schöne Welt, während Wann sich im Herd die Asche wellt wie ein Kirchenlied anmutet. Damit eröffnet er auch das Konzert, ein Lied, in dem gleich ein anderes häufiges Motiv auftaucht: Verrat.
Er steht vom Klavier auf, wünscht einen guten Abend und sagt, dass er sich wie immer für den Abend keinen Plan gemacht habe, sondern improvisiere. Das stimmt natürlich nicht so ganz, denn einiges von dem, was er im Laufe des Abends sagen wird, hat er auch schon anderswo erzählt, weiß das Web. Aber hey, eins seiner Lieder heißt schließlich Schöner lügen, ein anderes Glaubt nie, was ich singe, und vielleicht hat er ohnehin nur gemeint, dass es keine Setlist gibt.
Er wolle, sagte er in einem anderen Interview, mit dem, was er tue, die schönen Frauen betören. Das dürfte kein Problem sein, besitzt er doch Ausstrahlung, macht Musik

... und hat auch noch schöne Hände. Kurzum, die Killerkombination.
Dass er nicht nur von der Glut zu schreiben weiß, sondern sie auch erlebt, zeigt sich in seinen Liedern über die Liebe, der glücklichen wie auch der unglücklichen, gar missglückten. In Abschied immer wieder heißt es:
Der Whiskey war schlecht und das Herz sprang wie wild / An dem Tag von den grauesten Tagen. / Und wir saßen und gaben ein trauriges Bild / Und wir wussten nicht, was wir sagen. // Wie klein und wie kalt uns der Mond da erschien / In der Nacht unserer Einsamkeit. / Und wir warteten stumm, von einander zu fliehen, / Uns zu trennen für den Rest der Zeit //…. Denn der Rausch war kein Rausch, weil der Whiskey war schlecht. / Kalt und klar stehn die Möbel im Zimmer. / Und von allem ist nur unsere Traurigkeit echt, / Unbegründete Hoffnung noch immer.
So stehen die Möbel am Ende im Zimmer, ganz genau. Sehr gut beobachtet, wie jeder weiß, der jemals eine solche Trennung erlebt hat. Oder eine Affäre oder One-night-stand wie in In ihrem Fenster sieht man Wolken:
Sie eilen fort und Abschied liegt im Blick / Wir werden uns bestimmt nicht wieder kennen / Dein Arm schlingt sich um mein Genick / Als hielte er und wir wären nicht zu trennen / Und dennoch wissen wir’s auf nackten Knien / das Lächeln hält vielleicht noch eine Weile / In ihrem Fenster sieht man Wolken zieh’n / krank fast vor Hast und irrer Eile.
(Mit seiner Band spielte er damals in Wittenberg übrigens die Stones, White Horses und so.)

Dieses Lied spielt er heute Abend leider nicht, dafür aber Tristes Zimmer über eine glückliche Liebesnacht:
Als wir in dem tristen Zimmer standen / Wo die graue Nacht so schnell verging / Um im grauen Vormittag zu landen / Des Novembers, der im Regen hing.
Ich mag seine Bilder. Mit meinen eigenen habe ich hingegen so meine Schwierigkeiten. Genau wie ich steht er nämlich selten still, dafür dann aber so da, auch genau wie ich.

Außerdem überhitzt meine kleine Kamera anscheinend, jedenfalls werden viele Bilder unscharf, wie ich hinterher mit Bedauern feststelle. Wirklich schade, es waren einige sehr schöne Motive darunter.
In der Pause kaufe ich mir eine CD. Zwei russische Mädchen – am Akzent und vor allem an ihren schönen Augen ist ihre Herkunft unschwer zu erkennen – unterhalten sich über ihn. Auch sie kannten Wenzel vorher offenkundig nicht. Das ist sehr schöne Musik, sagt die eine. Ja, antwortet die andere. Und er hat auch eine schöne Stimme.
In dem besagten Interview, in dem er über die schönen Frauen sprach, sagte er auch, wenn nur noch die „alten Weiber“ in seine Konzerte kämen, höre er auf. Es besteht wohl keine Gefahr eines baldigen Karriereendes.

Neben seinen vielen traurigen Liedern über die Liebe, singt Wenzel auch beißend über Politisches. Nazi im Regen, etwa – er besitzt auch ein Haus in Ostvorpommern, dort schreibt er. Es sollte mich wundern, wenn die See weit entfernt ist. In der Stadt Usedom und in Bansin wird die NPD in wenigen Wochen rund 25 Prozent der Stimmen gewinnen. Tiefenbräune, sozusagen. Die bittersten und bösesten Sachen sagt er übrigens mit dem harmlosesten Gesichtsausdruck.
Für dieses Haus wiederum benötigt er eigentlich keine Tapeten, er könnte wohl die Wände mit all den Auszeichnungen tapezieren, die er schon bekam. Es liegt also nicht an ihm, wenn man seinen Namen bislang nicht kannte. Nach einer Zugabe verschwindet er schon von der Bühne. Später, als er sich an der Bar ein Bier holt, bedanke ich mich kurz für den schönen Abend.
Erst in den folgenden Tagen, als ich nach einigen Songs suche, die nicht auf der CD sind, die ich mir gekauft habe, geht mir auf, wie viele Lieder er an dem Abend spielt. Das Konzert geht so schnell vorbei, das mir das gar nicht gleich auffällt.
Wenzel spielt - allein oder mit Band - am 28. September in Frankfurt am Main, am 30. September in Stuttgart, am 1. Oktober in Plauen, am 2. Oktober in Schkeuditz, am 16. Oktober in Berlin, am 22. Oktober in Hoyerswerda, am 28. Oktober in Oberotterbach, am 29. Oktober in Weilerbach, am 30. Oktober in Birkweiler, am 5. November in Flöha, am 7. November in Paderborn, am 9. November in Oldenburg, am 10. November in Hamburg, am 12. November in Neustatt in Holstein, am 17. November im Schloss Holte-Stukenbrock, am 23. November in Marburg, am 26. November in Saarbrücken und am 28. November in Müncheberg. Die Details und Tourdaten für 2012 schauen Sie bitte selbst nach.
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Im felsigen Garten meiner ältesten Cousine steht ein Fahnenmast. In Finnland hat jeder eine Fahnenstange im Vorgarten, erzählt meine älteste Cousine, als wir satt von Blaubeertarte am Tisch im Freien sitzen. Finnen bevorzugen freistehende Häuser, fährt sie fort. In einem Reihenhaus wie unserem zu wohnen, gilt als „unfinnisch“. Wir haben aber einige finnische Nachbarn, zum Glück, denn der Fahnenmast für die gesamte Häuserreihe steht bei uns, aber die Flagge liegt im Gemeinschaftskeller und jede Familie hat reihum Fahnendienst. Einer unserer Nachbarn hat uns erklärt, wie das läuft und wann die Flaggentage sind, an denen man sie hissen muss. Zum Mittsommerfest natürlich, aber auch am Tag der Gleichberechtigung und am Muttertag.
Echt, am Muttertag, fragen wir.
Ja, bekräftigt meine Cousine. Es gibt sogar einen offiziellen Vatertag. Das wird hier eh ganz anders als in Deutschland gefeiert, die Fahne wird am Vatertag auch gehisst. Ohnehin wird immer sehr darauf geachtet, dass man es pünktlich macht. Wenn man morgens ein bisschen spät dran ist, sorgt das für hochgezogene Augenbrauen. Finnen sind überhaupt sehr pünktliche Leute. Abends muss die Fahne dann um Punkt neun Uhr eingeholt werden.
Auch im Sommer, wenn es noch viel länger hell ist, frage ich. Muss die Fahne dann ins Bett oder warum?
Wenige Tage später hängt die Flagge auf halbmast - Staatstrauertag wegen des Massakers in Norwegen. Punkt 21 Uhr kommen die Nachbarn zu uns in den Garten herüber, weil Fahnenschlafenszeit ist. Man hätte die Uhr danach stellen können.
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