Donnerstag, 21. Dezember 2006
Sicherheitswahn
Nach dem digitalen Passfoto auf dem Chip sollen jetzt auch noch zwei Fingerabdrücke in den Reisepass. Warum nicht gleich auch noch ein paar Geruchs- und Stimmproben? Nicht zu vergessen die Schriftproben.
Wisst Ihr was? Wenn Ihr noch mehr Daten von uns wollt, solltet Ihr 'mal die von der Firma fragen. Die kennen sich bestens mit sowas aus, und der ein oder andere hat eh nichts zu tun.

Die haben sie doch nicht mehr alle.

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Please ignore me
Wenn man bleich ist wie ein Gespenst, weil man sich aus dem Bett gequält hat, um zum Arzt zu gehen, wenn von Frisur längst keine Rede mehr sein kann, weil man den Friseurtermin wegen Krankheit dreimal verschieben musste, und wenn man obendrein auch noch unterwegs Nasenbluten bekam, dessen Spuren womöglich noch irgendwo im Gesicht kleben, dann möchte man nicht diesen attraktiven Maskenbildner auf der Straße treffen. Und schon gar nicht möchte man in dem Zustand auch noch von ihm wiedererkannt und gegrüßt werden.

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Der Vogelbaum
Im kahlen Nussbaum vor meinem Schlafzimmerfenster sitzen gern die Blaumeisen, noch lieber aber halten dort die Spatzen ein lautes Schwätzchen, bis sie wie auf Kommando aufstieben. Dann nehmen stumm die Tauben Platz, es sind immer nur braune. Gerade eben hüpft eine Rabenkrähe von Zweig zu Zweig, und manchmal verirren sich auch verrückte Papageien hierher.

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Montag, 18. Dezember 2006
Still ill
Vielleicht liegt's ja doch daran, dass ich den Glücksbringer vom Shinto-Schrein versehentlich ausgepackt habe - jedenfalls werde ich dieses Jahr nicht mehr arbeiten gehen. Draußen ist es ziemlich kalt, und die Sonne lässt sich auch kaum blicken, wer mag da schon unterwegs sein, tröste ich mich. Da bleibe ich halt weiter daheim und ziehe mir die Decke über den Kopf.

Los, beneidet mich jetzt wenigstens.

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Samstag, 16. Dezember 2006
Das rechte Maß
Manchmal muss man sich beim Zeitungslesen doch etwas verwundert die Augen reiben. Mir ging das gestern so, als ich von zwei Gerichtsurteilen las. Nicht, dass ich vor Mitleid mit diesem betrügerischen Schiedsrichter zerfließen würde, der fortan aufgrund der zwei Jahre und fünf Monate als vorbestraft gelten wird. Auf mich wirkte er stets wie ein arroganter Großkotz, dem leider keiner einmal rechtzeitig die Grenzen gesetzt hatte. Unethisch war's auch. Den will ich also später einmal ganz bestimmt nicht im Sportjournalismus sehen.
Nein, es war nicht diese überall großaufgemachte Geschichte, über die ich mich sehr wunderte, es war eine kleine Meldung über eine nunmehr 33-jährige Lehrerin, die einem ihrer damals 13-jährigen Schüler Alkohol zu trinken gab und ihn dann im Ehebett "verführte". In der Berufungsverhandlung hat das Landgericht Regensburg die Strafe jetzt auf eine zweijährige Bewährungsstrafe gesenkt, das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Ja ja, Frauen sind ja immer so sanft und zärtlich. Als würde dadurch bei sexuellen Übergriffen weniger seelischer Schaden angerichtet.

P.S. Lieber Stern, liebe dpa, "Fälle sexuellen Missbrauchs durch Frauen" sind nicht so selten wie Ihr glaubt. Sie werden nur selten angezeigt und verurteilt.

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Musikalische Hausapotheke
Angesichts von Gesundheitsreform und Budgetierung erlebt man als Kassenpatient durchaus einmal Verdruss. Manchmal hat man aber auch Glück. Ich, zum Beispiel. Mir stellte vergangene Woche die Berliner Koryphäe Dr. Strikes eine Ferndiagnose und das hat er mir verordnet.



An zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils eine ganze Scheibe.

Wenn das jetzt nicht heilt, dann weiß ich auch nicht.

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Donnerstag, 14. Dezember 2006
Tuna no fish
Am ersten Morgen, berichtet die beste Freundin von ihrem Nippon-Abenteuer, servierten mir meine Gastgeber ein traditionelles japanisches Frühstück. Sie hatten es mir abends zuvor angeboten, neugierig wie ich war, wollte ich es zumindest einmal versuchen. Ist eine üppige Angelegenheit, Du weißt ja, dass ich früh morgens noch gar nicht so viel essen kann. Zuerst gab es eine dieser Suppen mit viel Tang, die ich mit Todesverachtung hinunterbrachte. Dann gab es bergeweise Reis, Fisch und außerdem noch Eier und so eine Art fettige Würstchen, fast schon englisch. Ich gab mein Bestes, musste ihnen dann aber sagen, dass ich morgens einfach noch nicht solche Mengen vertrage.

Später gab es dann nochmal Thunfisch zum Frühstück. Nix gegen Thunfisch, ich mag den ja auch echt gern, aber zum Frühstück morgens um halb sieben Uhr muss ich den nun nicht haben. Mit allem erdenklichen Takt sagte ich meiner Gastgeberin, dass ich morgens lieber keinen Fisch möchte. Daraufhin schaute sie mich an und sagte: No Tuna? Tuna no fish.
No Tuna, antwortete ich.
Tuna no fish. Sie schüttelte ihren Kopf.
Yes. It’s tuna. Tuna fish.
Ihren Blick hättest Du sehen müssen. Es war so ein Blick à la Mein Gott, die begreift aber auch gar nichts. Und dann verkündete sie mit allem Nachdruck:
Tuna no fish. Tuna chicken is!

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Mittwoch, 13. Dezember 2006
This charming man

Does the body rule the mind
Or does the mind rule the body?

- The Smiths: Still ill -

Viele von denen, die hier herumstehen, haben diese Songs allenfalls in der Wiege gehört, wenn überhaupt. Teilweise sehen sie sogar so aus, als hätte sie es noch gar nicht gegeben, als die Band auseinander ging. Es ist halb acht Uhr und noch ziemlich leer. Neben uns postieren sich zwei kahl rasierte Jungs im Bronski-Beat-Schick und L*nsdale-Jacken. Das Publikum ist sehr gemischt, Morrissey-T-shirts sind aber bei Jungs aller Altersklassen beliebt, zum Glück sind die meisten Kerle um uns herum nicht so groß.

Ein Schlagzeuger und eine Sängerin am Keyboard tauchen auf der Bühne auf. Keine Ahnung, wie die Vorgruppe heißt, ihr Name ist Chris Kris und sie fühlt nichts, soviel lässt sie uns später zumindest immer wieder einmal wissen, den Namen des Typen habe ich schon wieder vergessen. Als also jene Kris die ersten Töne von sich gibt, gibt es im ersten Moment verdutzte Gesichter, dann Gegrinse. Sie erreicht Höhen, bei denen mir meine Stimme kläglich versagen schwindelig würde. Welche Platten sie früher gehört hat, ist auch unschwer zu erraten. Leider liegt unter ihrer Stimme bei jedem Song mehr oder weniger der gleiche Klangteppich, und sie schraubt sich vorhersehbar hoch, so dass es doch ziemlich lange 45 Minuten werden. Gut, dass die schon um viertel vor acht begonnen haben.

Danach gibt es ein musikalisches Potpourri auf dem überdimensionierten Laken vor der Bühne zu begucken. Musikladen, Grand Prix und allerlei Zeugs aus einer Zeit, da hat es auch mich noch nicht gegeben. Die T-shirt-Jungs versuchen ihren Helden mit Morrissey, Morrissey herbeizusingen, es hilft aber nichts. Erst der türkische Tabak macht der Warterei ein Ende. Panic in the streets of London …

Das Alter steht ihm. Gut sieht er aus und ist ebenso aufgelegt. Die hellblaue Krawatte über dem schwarzen Hemd verschwindet bald. Er flirtet mit den Fans, denen er zwar nicht das letzte Hemd, aber immerhin drei zuwirft, nachdem er sie sich vom Leib gerissen hat. Knöpfe und Fans springen durch die Gegend. Einer der L*nsdale-Jungs kaut seinen Kaugummi permanent im Takt. Auch eine Leistung.

Vorne wabert gerade ein bisschen Trockennebel, Pasolinis Konterfei weicht zwischendurch auch einmal einem psychedelischen Muster. Insgesamt könnte der Sound noch ein bisschen besser sein, Morrisseys Stimme klingt aber gut, es wird auch ordentlich auf die Pauke gehauen und gibt auch ziemlich was auf den Gong. Da freut sich der Solar Plexus. Doch nach gut 90 Minuten ist auch schon wieder Schluss, er lässt sich auch nur zu zwei Zugaben bewegen, immerhin mit einer rührenden Textänderung bei Please, please, please, let me get what I want.

Tonight the mind ruled the body. Meine Seele brauchte einfach einmal Ausgang. Gesundheitlich wäre es wahrscheinlich besser gewesen, daheim zu bleiben.
But as he said: This evening the motto is: Why worry?

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Sonntag, 10. Dezember 2006
Japanische Mitbringsel


Japanische Männer riechen irgendwie anders, erzählt die beste Freundin mit glänzenden Augen. Das ist mir schon morgens immer in der U-Bahn aufgefallen, sie rochen immer so frisch. Keine Ahnung, wie die das machen, sie benutzen kein After Shave, und an der Seife kann es auch nicht liegen, denn die riecht nach nichts. Stimmt, sage ich, nachdem ich an der handgemachten Seife von Okinawa geschnuppert habe. Die Seife riecht kaum.

Dafür riecht eine Sorte dieser Tücher nach Pfefferminz, erklärt sie mir, als sie mir die nächsten Päckchen überreicht. Und hier zeigt sich der japanische Sinn für "Niedlichkeit", sagt sie und deutet auf die Papiertaschentücher. Wie das Badesalz riecht, weiß ich auch nicht, aber die auf der Packung sah so aus als hätte sie eine Menge Spaß, da dachte ich, vielleicht magst Du das auch einmal probieren. Bestimmt, antworte ich. Ich werde auch juchzen vor Freude, wenn ich endlich 'mal wieder baden kann.

Hey, das muss der Immobilienteil sein, sage ich und halte ihr die Zeitungsseite unter die Nase, aus der ich zwei kleine Porzellanlöffel gewickelt habe. Schade, es steht nicht dabei, was die Häuser kosten, jedenfalls kann ich es nicht lesen. Die Löffel sind aber hübsch, das Muster kenne ich gar nicht. Fukuoka ist berühmt für Porzellan, erzählt sie mir dann, dieses Muster ist ganz typisch. Sieht eigentlich gar nicht so aus wie man sich japanische Muster vorstellt, nicht wahr? Am liebsten hätte ich ja ein paar Schüsseln und Teller mitgebracht, aber ich hatte Angst, dass die kaputt gehen, der Koffer ging eh kaum noch zu.

Magst Du eigentlich etwas essen?, frage ich sie. Während sie sich ein Schinkenbrot belegt, kniepele ich das kleine Säckchen auf. Und was ist das?, will ich von ihr wissen und schwenke einen kleinen Zettel mit roten Schriftzeichen.
Oh weh, das solltest Du gar nicht aufmachen, das ist doch der Glücksbringer, den ich Dir von dem berühmten Shinto-Schrein in Tokio mitgebracht habe. Das muss zubleiben. Hastig stopfe ich den Zettel zurück in das Säckchen. Den legt man sich unters Kopfkissen, erklärt sie mir, er soll Gesundheit und Wohlbefinden bringen.






















Wenn es also mit meiner Genesung noch etwas dauert, dann liegt es daran, dass ich den japanischen Glücksbringer ausgepackt habe.

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