Samstag, 16. Juli 2005
Meines Vaters Haus
Das war so schlimm für mich, sagt meine älteste Freundin am Telefon zu mir, dass ich nicht mehr in dieses Haus kommen konnte. Ich war immer so gern bei Euch, viel lieber als bei mir daheim. Bei Euch war es immer so schön - allein schon das Haus. Ich konnte ganz lange nicht mehr dorthin gehen, ich fand es unerträglich, dass jetzt da einfach andere Leute leben.

Ich weiß, sage ich, das ging vielen unserer Freunde so. Ich habe auch Jahre gebraucht, bis ich mich wieder in die Nähe wagte. Einmal waren wir alle fünf dort. Das große, alte Tor stand offen, wir gingen ein paar Schritte in den Hof. Meiner Mutter blutete das Herz, als sie sah, wie vernachlässigt der Garten war. Mein Vater war ganz gerührt, als er den Ahorn entdeckte, den er einst auf der Wiese vor dem Kellergewölbe gepflanzt hatte. Dann sagte er, dass er immer noch einen Haustürschlüssel hätte. Du auch?, fragten meine eine Schwester und ich und mussten kurz lachen. Ich habe ihn einfach mitgenommen, sagte mein Vater, es hat mich auch nie jemand danach gefragt. Er passt bestimmt noch.

Wie hast Du es nur ausgehalten, von dort fortgehen zu müssen, fragt sie mich dann. Ich meine, ich hatte ja schon das Gefühl, ein Stück Zuhause zu verlieren.

Es war unglaublich hart, antworte ich. Und zugleich war ich auch erleichtert. Wir hätten nicht mehr lange so weiter machen können. Und im Nachhinein kann ich nur sagen, es war genau zum richtigen Zeitpunkt. Schau, wie sich bald darauf drumherum alles änderte, so schön wie damals ist es dort schon lange nicht mehr. Außerdem hätten wir dort irgendwann eh fortgemusst, wie alle vor uns und nach uns auch. Spätestens 1998. So ist es eben 15 Jahre früher passiert. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es nicht auf diese Weise passiert, aber anders wäre es sicherlich auch nicht viel leichter gewesen.

Den Schlüssel aber, den habe ich immer noch.

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Gut aufheben. Schön, wenn man ein Zuhause hatte, in dem sich andere genauso heimisch gefühlt haben.

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Genau das Thema bewegt mich ja gerade auch. Wie ich mich kenne, wäre der Schlüssel mir auch ein Trost wenn genau diese Schritte vor mir liegen. Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht, dass dann andere Menschen in unserem Haus wohnen werden. Was für eine schreckliche Vorstellung.

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Ihr Posting war auch der Anlass. Nachdem ich es gelesen hatte, fiel mir später wieder das Telefonat ein, dass ich im vergangenen Jahr mit meiner ältesten Freundin führte.

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Einen Vorgeschmack
davon habe ich längst, seit das Souterrain im Haus meiner Eltern vermietet ist. Und dann hab ich inzwischen auch gesehen, was meine Nachmieterin aus meiner vorigen Wohnung gemacht hat, in der ich über zehn Jahre lang lebte. Da bin ich eher froh, keinen Schlüssel mehr zu haben...

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Mir erzählte eine andere Freundin etwa ein Jahr nach unserem Auszug einmal, dass in der Gästetoilette noch die Tapete, die meine Mutter seinerzeit ausgesucht hatte, klebte und unsere Nachmieter Haus, Garten und Hof ziemlich vergammeln ließen. Was ich damals extrem taktlos von diesem Ehepaar fand, war ihr Kommentar, als sie bei der Hausbesichtigung zu mir in mein Zimmer kamen. Ach, das ist aber hübsch, das wird unserem ältesten Sohn bestimmt gefallen. Und vor den Ohren meiner kleinen Schwester legten sie fest, was sie mit ihrem Zimmer vorhatten. Die wussten ganz genau, was der Auszug für uns bedeutete.

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Aber letztendlich behält man doch die Erinnerung und es sollte einem egal sein, wie dann andere Leute darin wohnen (, daß es manchmal schmerzt, versteh ich).
Um ehrlich zu sein, es ist mir sowas von egal, was die jetzigen Menschen mit der Wohnung veranstaltet haben, in der ich fast 20 Jahre gelebt habe. Es gab schon damals immer wieder Veränderungen. Eine neue Couch, andere Tapeten etc. Das Bild, das man in sich trägt, kann einem nicht genommen werden. Und "zu Hause" ist es selbst nicht mehr dann, wenn nur die Leute drin sind und sich nichts verändert hat, weil verändert tut sich dennoch was.
Die Wohnung, in der ich jetzt wohne, sieht auch GANZ anders aus, als vorher und gut so. Schließlich ist es MEIN zu Hause und ich muß mich wohlfühlen.

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Die Schilderungen der anderen Freundin, die ebenfalls bei uns ein- und ausgegangen war, schienen ihr mehr auszumachen als mir (mich hatte nur etwas gewundert, warum die es so wenig zu ihrem eigenen Zuhause gemacht haben). Wobei es generell schade ist, wenn Leute jahrhundertealte Häuser nicht pflegen. Klar, macht ein riesiger Garten mit alten Bäumen Arbeit, aber in meinen Augen ist das auch eine Frage des Respekts, gerade auch, wenn so ein Anwesen einem nicht selbst gehört, sondern nur auf Zeit zur Verfügung gestellt wird.
Was aus all den Wohnungen wurde, in denen ich seither gelebt habe, war mir auch herzlich egal.

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Tja, kurioserweise
ist es bei mir eher andersrum. Mit dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, verbindet mich emotional nicht soo viel. Mit den Wohnungen, in denen ich seitdem lebte, habe ich mich mehr identifiziert. Vielleicht, weil ich sie mir (im Gegensatz zum Elternhaus) selber aktiv ausgesucht und nach meinen Vorstellungen gestaltet habe.

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