Samstag, 9. Juli 2005
Liebe usw.
Weißt Du, sagt sie zu mir, das Wichtige ist nicht, ob man geliebt wird. Sondern, ob man selbst lieben kann. Natürlich wünscht man sich als Kind, geliebt zu werden, doch es kommt viel mehr darauf an, ob man später selbst dazu fähig ist.
Als damals unser Sohn vor der Geburt starb, war es das erste Mal, dass ich überhaupt merkte, dass ich ein Herz habe. Dass da etwas ist, so eine Wärme ist. All die Jahre habe ich überhaupt keine Gefühle gespürt. Das ist mir jetzt erst klar geworden. Sie schüttelt leicht den Kopf. Dann sagt sie es noch einmal: Dabei ist es doch die eigene Liebesfähigkeit, worauf es wirklich ankommt.

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Schön gesagt, richtig gesagt.
Gestern hat in einer Talkshow auch jemand so ähnlich geredet. Daß es darauf ankommt, was man in den ersten 9 Jahren erfährt. Selbst wenn danach viel Mist geschieht, in der Zeit wird man geprägt, ob man lieben kann oder nicht bzw. was bis dahin passiert ist, kann nicht zerstört werden.
Fand ich sehr schön, und ein wenig tröstend.

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Kann - je nach Erfahrungen - auch beängstigend sein.

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Wie es ihrer Mutter geht, hatte ich zuvor von ihr wissen wollen. Da erzählte sie mir, dass sie etwas auf Distanz zu ihr gegangen sei: Mir hat sie oft so leid getan, ich habe mich oft mit ihr getroffen, weil ich dachte, das wünscht sie sich. Heute sage ich auch einfach einmal, dass ich keine Zeit habe, wenn es mir nicht so passt. Wir verstehen uns noch gut, aber mein Verhältnis zu ihr ist erwachsener geworden. Ich bin nicht mehr Kind. Vor kurzem ist mir klar geworden, dass sie mich nicht so liebt, wie ich immer dachte.

Und dann sprach sie von der Kälte, die da bei ihrer Mutter sei, einmal war sogar von unbändiger Wut die Rede. Ich glaube, fuhr sie fort, meine Mutter kann keine solche Liebe empfinden, für niemanden. Dazu hat sie einfach zu viel Schlimmes erlebt. Man kann es ihr nicht zum Vorwurf machen.

Dann sagte sie die eingangs zitierten Sätze. Anschließend fragte ich sie, wenn das [der Tod des Kindes] das erste Mal gewesen sei, dass sie ihr Herz gespürt hätte, wie das denn früher in ihren Beziehungen gewesen wäre? Das lief alles immer über den Kopf, antwortete sie. Und da verstand ich plötzlich, worüber ich mich früher oft gewundert hatte: Warum sie nie Liebeskummer zu haben schien, an dem ich manchmal so heftig litt.

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Wenn es nur die eigene Liebesfähigkeit ist, auf die es ankommt, dann geht sie einher mit der eigenen Leidensfähigkeit.

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Eigene Liebesfähigkeit ist frei von Erwartungen. Und wenn man nicht erwartet, bekommt man oft mehr, als würde man es einfordern.

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Man muss nichts erwarten, um an Liebe zu leiden.

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Merkt, wer nicht lieben kann, überhaupt, was es bedeutet, geliebt zu werden? Bedingt sich das nicht gegenseitig? Nicht zu lieben und nicht geliebt zu werden wäre mir unvorstellbar, das Leben hätte keinen Sinn.

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das kann leicht auf gruselige abwege führen. wie che schon sagt. selbst lieben zu können und sich dabei zu genügen ist selbstbetrug und dann eben ungeliebt zu lieben, ist der reinste horror wie wir alle wissen. wie wir bayern pragmatisch sagen: wenns passt, dann passts. mehr gibts da nicht.

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Ist nicht der Selbstbetrug in denjenigen Fällen besser als nichts, in denen mehr nicht zu haben ist? Weniger als Erfüllung, mehr als nichts?

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Er ist in jedem Fall ideal für diejenigen, die Angst vor der Erfüllung haben.

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Leben, Lieben und Leiden gehören doch einfach alle zusammen, man bekommt nichts eins ohne die anderen. Dass Lieben auch immer mit Leiden einhergeht, das merkt man tatsächlich spätestens, wenn man Kinder hat (obwohl nicht jeder es unbedingt dann erst fühlt, aber mit diesem Ereignis gewinnt die Erkenntnis für viele ein neues Momentum). Wer liebt, der sorgt sich, da ist das Leid nicht weit. Spätestens um eine der nächsten Hausecken rum. Man muss ja aber nicht unbedingt so vorausschauend sein und kann sich in der Zwischenzeit auch erstmal an der Liebe erfreuen (a.k.a. sich was in die Tasche lügen, wie Herr Kid sagt).

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Als damals unser Sohn vor der Geburt starb, war es das erste Mal, dass ich überhaupt merkte, dass ich ein Herz habe. Dass da etwas ist, so eine Wärme ist.

Vergangene Woche fand ich die Geburtsanzeige, die zugleich auch die Todesanzeige war, wieder. Zwei winzige Fußabdrücke, kürzer als mein Daumen. Ich habe damals sehr geweint, denn ich weiß noch, wie sie mir vor fünf Jahren strahlend erzählte, dass sie schwanger wäre. Es war nicht so, dass sie und ihr Freund (inzwischen Ehemann) darauf hingearbeitet hätten, es war eine Überraschung, aber eine willkommene. Zwei Wochen nach ihr sollte es Geburtstag haben, es starb im sechsten Monat.

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Morgen sage ich noch etwas dazu, jetzt bin ich schlichtweg zu angetrunken. Sorry. Wir haben den ganzen Tag den Geburtstag meiner älteren Schwester gefeiert.

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@modeste: Da fällt mir doch ein alter Song von Konstantin Wecker zu ein: "Unter allen meinen großen Lieben ist mir nur eine treu geblieben, der Selbstbetrug."

Und zu der von Dir aufgeworfenen Frage würde ich sagen: Kurzfristig ja, aber nicht als dauernde Lebensperspektive, da würde ich es eher mit burnston halten. Das ist wie mit Schmerzmitteln oder Drogen: Um momentanes Leid zu lindern OK, aber wehe, es wird zur Dauerangelegenheit.

Mein Shorin-Ryu-Meister hätte hingegen gesagt: "Nur der Wahrheit unverfälscht und ruhig ins Gesicht sehen ist legitim."
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dafür stark genug bin.

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Die Wahrheit ist manchmal ein kalter Stern.

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Na, da schließen sich ja die vier Zeilen eines Gedichts von W.H. Auden nahtlos an, die mir gestern Nacht noch einfielen:

How should we like ist were stars to burn
With a passion for us we could not return?
If equal affection cannot be,
Let the more loving one be me.


Unerwiderte Liebe ist der Horror, da hat Burnston recht. Dostojewskij lässt aber den Starez Sosima in den Brüdern Karamasow sagen:

Väter und Lehrer, ich frage mich: Was ist die Hölle? Ich denke, sie ist der Schmerz darüber, daß man nicht mehr lieben kann.

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Auch mit unerwiderter Liebe kann ich mich kurzfristig arrangieren, zur Hölle wird sie nur, wenn es so bleibt.

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Wer zum ersten Male liebt,
Sei´s auch glücklos, ist ein Gott;
Aber wer zum zweiten Male
Glücklos liebt, der ist ein Narr.

Ich, ein solcher Narr, ich liebe
Wieder ohne Gegenliebe!
Sonne, Mond und Sterne lachen,
Und ich lache mit - und sterbe.
(H.Heine)

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Dankeschön für den Heine und willkommen unter den Bäumen.

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