Donnerstag, 17. Mai 2012
Another Man’s Vine
Wir hätten echt mehr Parties feiern sollen, sage ich zu Rosarium, als ich eine 1963er Auslese im Spülstein ausgieße. Meine Schwester kniet neben mir auf dem Kellerboden und entkorkt eine Weinflasche nach der anderen. Ich zeige ihr das Etikett der leeren Flasche. Aber echt, antwortet sie. Seit zwei Stunden sehen wir den Bestand im Weinkeller meines Vaters durch. Einige Tausend Flaschen sammelte er in den vergangenen Jahrzehnten zusammen. Flasche für Flasche ziehen wir aus den Regalen, prüfen, ob der Korken noch dicht oder schon Wein verdunstet ist. Einige Flaschen sind ausgelaufen, an anderen fraßen sogar die Korkmotten. Kaktus kommt mit der nächsten Kiste aussortierter Flaschen, stellt sie neben Rosarium ab und geht zurück in den Weinkeller. Ich kippe die nächsten zehn alten Flaschen in den Abfluss. Plötzlich kommt bei einer ein braunes, schleimiges Etwas aus dem Flaschenhals. Uaah, erschrecke ich mich – so sehr, dass auch Rosarium neben mir zusammenzuckt. Was ist denn? will sie wissen.

Guck' mal hier, ein Alien, sage ich und zeige ihr die Flasche. Was die Öffnung verstopft, sieht aus wie der Schwanz einer Nacktschnecke. Iiiih, entfährt es ihr. Das ist nix Schlimmes, sagt Kaktus, der jetzt wieder mit einem Karton im Gang steht. Das passiert, wenn sich die Säure biologisch unsauber abbaut, dann wird der Wein zäh. Kaktus kennt sich aus. Einst studierte er Getränketechnologie, er ist außerdem gelernter Winzer. Schade nur um all den Wein, sagt er noch.

Am Ende des Nachmittags haben wir mehr als 800 Flaschen Wein in den Ausguss geleert. In der Kläranlage werden die sich bestimmt ganz schön wundern, meint Rosarium. Die Bakterien werden wahrscheinlich tagelang besoffen sein, antworte ich ihr. Sie lacht: Zumindest haben die dann auch einmal Party gefeiert.

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Man darf gar nicht daran denken, wieviel vorheriges Geld Sie da weggespült haben.
Klingt, als wär das ein ziemlich großer Keller : )

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Ja, das war ein großer Keller. Hinterher waren aber immer noch viele Flaschen übrig. Zum Leidwesen der Möbelpacker.

So eine 1963er Auslese fand ich kürzlich übrigens auch in meinem Keller. Leider zeigte sich schon Schwund, darum musste ich sie ebenfalls weggießen.

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An diesen Nachmittag im Keller wirst Du Dich wohl ewig erinnern können.

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Es war zumindest lustiger als 1998, als meine beiden Schwestern und ich alle Flaschen in Umzugskisten packten, damit die in diesen Keller ziehen konnten. Da haben wir uns nämlich in die Wolle bekommen, besser gesagt, Amaryllis und ich. Die war bei dieser Aktion im Jahr 2012 aber nicht dabei. Drei Jahre später stand wieder ein Umzug an, da waren wir froh, dass wir das Gröbste schon erledigt hatten. Kaktus und Rosarium sortierten noch ein paar Flaschen aus, als sie alle einpackten. Waren aber wie gesagt immer noch genug, um die Möbelpacker zu schocken.

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Mann, Mann, Mann!
Von "Korkmotten" hatte ich auch noch nie etwas gehört.

Und wann fangt Ihr an zu trinken, anstatt die Flaschen "immer nur" von einem Keller in den anderen zu räumen?
So viele, wie das sind, könntet Ihr Euch wohl ein Jahr lang konstant betrinken. 😄

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Ein Jahr? Sie unterschätzen die Anzahl der Flaschen. ;-)

Viele der Weine sind so alt, dass sie Firne haben, Kaktus und Rosarium finden das abscheulich, in Maßen kann ich das noch aushalten, aber ich trinke kaum Wein, und Amaryllis erst recht nicht.

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Und einfach wegkippen geht natürlich auch nicht, stimmt's? 😄

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Nein, das tun wir ihm nicht an.

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Nein, das würde ich auch nicht machen.
Ich rühre auch keinen der brüchigen Gefrierbehälter meiner Mutter an.

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