Dienstag, 9. Januar 2007
In der Nähe so fern
In diesem Jugendstiltraum von Bahnhof, standen die beste Freundin und ich und suchten nach einem Zug nach Breslau. Doch auf dem Fahrplan gab es kein Breslau, überhaupt existierte Polen darauf nicht, ganz so, als endete die Welt da unten an der Neiße, wo direkt am gegenüberliegenden polnischen Ufer eine paar alte, bonbonfarbene Häuser standen, hinter denen Plattenbauten emporragten. Zwischen den Ufern die Altstadtbrücke stand schon lange nicht mehr, gesprengt, wie so viele kurz vor Kriegsende.

Die müssen doch von hier irgendwie mit dem Zug nach Breslau kommen, so weit ist das doch gar nicht, wunderte sich die beste Freundin.
Lass uns an der Info fragen, schlug ich vor.
Die beiden Damen waren sehr freundlich. Nein, von hier ginge kein Zug nach Breslau, aber wahrscheinlich vom Bahnhof auf der anderen Seite in Zgorzelec. Wie wir denn dahin kämen, wollten wir wissen.
Da fahren Sie über die Autobrücke, sagte die ältere der beiden, die ich auf Ende 40 schätzte.
Wir haben leider kein Auto, entgegnete ich, fährt nicht auch irgendein Bus hinüber?
Das weiß ich leider nicht, entschuldigte sie sich, ich war ja noch nie drüben. Weißt Du, ob es einen Bus dahin gibt?, wandte sie sich an ihre jüngere Kollegin.
Es könnte sein, dass einer am alten Postamt abfährt, antwortete die Enddreißigerin. Aber ganz sicher bin ich mir nicht, ich war auch noch nie dort.
Aber wir haben eine Kollegin, die war schon mal da, sagte die erste fast ehrfürchtig. Gell, die Heike, die ist doch schon einmal nach Zgorzelec rübergefahren?
Ihre Kollegin nickte. Ja, die war einmal drüben. Ist schon ein paar Jahre her.

Wir bedankten uns und machten uns auf die Suche nach der Bushaltestelle. Draußen auf dem Bahnhofsvorplatz mussten wir dann doch ein bisschen lachen.
Mein Gott, meinte die beste Freundin, so wie die das sagten, klang es mindestens wie eine Expedition in den Himalaya.

Das war im Mai 2004. Polen war wenige Tage zuvor der EU beigetreten.

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