Donnerstag, 11. Oktober 2018
Sachsen, normale Sachsen
In Dresden wurden der Journalist Arndt Ginzel und der Kameramann Gerald Gerber vom "Hutbürger" angegangen. In Chemnitz hatten sie ebenfalls eine Begegnung der dritten Art. Ein Passant sprach die beiden bei der Arbeit an und filmte sie auch. Dabei beschimpfte er sie abwechselnd als Wessis, Nazis und Rassisten, denn die beiden "hetzen" seiner Meinung nach "gegen uns Ostdeutschen, das macht Ihr doch alle, Ihr Wessis!".

Als Arndt Ginzel klarstellte, dass sie beide Sachsen sind, wollte der Passant das nicht glauben: "Du bist kein Ostdeutscher, Ihr Wessis seid keine Deutschen, Ihr seid ein ganz anderes Volks, seid Ihr!"

Arndt Ginzel ist in Ostsachsen geboren und aufgewachsen und sagte ihm das auch. Der Passant unterstellte ihm daraufhin, er sei womöglich mal im Knast oder bei der Stasi gewesen.

"Du gehörst dort hin, kein Sachse… Sachsen, normale Sachsen, ordentliche Sachsen würden sich nicht so benehmen, wie Ihr und ihr eigenes Volk diffamieren, diskreditieren und diskriminieren, das macht Ihr .... wir sind ein eigenes Volk ... schon immer sind mir ein eigenes Volk."

Es folgen noch weitere Beschimpfungen als "Gesinnungs-Gestapo", "widerlicher Gutmensch" und Wessi. Arndt Ginzel erwidert daraufhin: "Wir kommen aus Sachsen. Was soll ich machen, wir können auch gerne wetten."

Passant: "Wetten tun die Juden."

Ich habe hier nur einige Ausschnitte aus dem Geprächsverlauf wiedergegeben, den man hier oder auch auf Twitter nachlesen und teilen kann.

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Es ist schon von vielen gesagt worden und bald auch von jedem: Sachsen sind dumm. Wenn man jemanden sucht, auf den man mit dem Finger zeigen kann, dann wird man jemanden finden. Der besseren Übersicht halber müsste man dazusagen, dass auch Herr Ginzel als interessanter Charakter bekannt ist. Bin schon weg.

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Ich weiß nun nicht, was Sie mit der Aussage, "dass auch Herr Ginzel als interessanter Charakter bekannt ist" andeuten und bezwecken wollen. Im Gegensatz zu Ihnen kenne ich ihn nämlich persönlich, und zwar schon seit 16 Jahren.

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also. das läßt mich schon ziehmlich ratlos zurück. vielleicht noch mit bewunderung für herrn ginzel, überhaupt so ein gespräch führen zu können. oder um es mit max czollek zu sagen: ich habe kein bedürfnis, das (noch mal) erklärt zu bekommen.
ich weiß eben nicht nicht, wie man mit diesem haß, so einem kruden weltbild und so völlig fehlender refketion umgehen soll.
(deshalb möchte ich mir ausdrücklich einen kommentar zum vorkommentator ersparen.)

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Mir fällt zu solchen Leuten leider auch nichts ein. Dass Arndt Ginzel so ruhig und sachlich blieb, fand ich auch bewundernswert, ich weiß nicht, ob mir das geglückt wäre. Je nach Tagesform hätte ich diesen Passanten vermutlich irgendwann angeschnauzt oder hätte ihn schlichtweg ausgelacht.

Arndt Ginzel hat dieses Gespräch am Tag der deutschen Einheit veröffentlicht. Dass er als Ostdeutscher von einem anderen Ostdeutschen als "Wessi" beschimpft wurde, dürfte ein Novum gewesen sein.

Es gibt Hinweise darauf, dass der Passant ebenfalls in der DDR geboren und aufgewachsen ist. Ich frage mich, wie viele wie er der Meinung sind, dass Westdeutsche "keine Deutschen" seien. Nun hat ja die DDR gern von sich behauptet, dass bessere Deutschland zu sein, zugleich aber nach dem Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR überall, wo es möglich war, das Wort "deutsch" quasi gestrichen und notfalls lieber nur die Abkürzung verwendet. Man kann das übrigens sehr schön an den Briefmarken sehen. Stand zuvor noch "Deutsche Demokratische Republik" darauf, war fortan auf den Marken nur noch DDR zu lesen. Die Nationalhymne gab es dann auch nur noch ohne Text zu hören.

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Ich frage mich, wie viele wie er der Meinung sind, dass Westdeutsche "keine Deutschen" seien.

Interessant. Als jemand, der nicht viele Kontakte nach drieben hat, war mir diese Auffassung weitgehend unbekannt. Aber da passt es ins Bild, dass ich in einer Doku über die Anfänge von Bundeswehr und NVA den Sprecher aus dem Ost-Propagandafilm sagen hörte, die Uniformen der Bundeswehr seien amerikanisch inspiriert, wohingegen die Uniformen der NVA in deutscher Militärtradition stünden.

Tatsächlich basiert der NVA-Helm auf einem Entwurf der Wehrmacht, die Uniformen mit den Knobelbechern und Kragenspiegeln erinnern auch sehr an die Nazi-Uniformen. Und die kasernierte Volkspolizei (der Vorgänger der NVA) hatte keine Probleme damit, das Sturmgewehr 44 als Standardwaffe zu benutzen, bevor die AK 47 angeschafft wurde.

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Von meinen Verwandten und Bekannten kenne ich diese Auffassung auch nicht.

Mir erzählte allerdings 2002 einmal ein Leipziger Buchautor und Journalist, der damals schon Mitte 50 war, von seinem nur wenige Jahre zurückligenden Besuch in Frankfurt am Main: Wie kommunikativ und nett dort die Leute seien, aber oft habe er auf der Straße gedacht, "wo bin ich? Das ist doch gar nicht mehr Deutschland." Ich erzählte ihm daraufhin von meinem ersten Besuch in Leipzig im Mai 1990, wo für mich das Straßenbild irgendwie seltsam und fremd aussah, weil es dort genau umgekehrt war.

Angesichts der Haltung der Bundesrepublik hinsichtlich ihrer staats- und völkerrechtlichen Identität war es zwingend notwendig, der Bundeswehr andere Uniformen zu verpassen. Es ist schon eigenartig, dass die DDR, die sich doch als strikt antifaschistisch deklarierte, solche Uniformen verwendete. Eigentlich hätte man dann doch erwarten können, dass sie jede Ähnlichkeit tunlichst vermeiden.

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@Mark
Ich hörte das über die Bundeswehr auch schön (öfters), da ging es aber um die Tarnmuster.
Was aber wohl daran liegt, daß die Amis bereits im 2WK das Tarnmuster der Waffen-SS studierte und dann selber eine Variante dessen produzierten.

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@sid: Da wird schon was dran sein. Allerdings hatte die BW in den ersten Jahrzehnten noch gar keinen Flecktarn, ich selbst war 1983/84 noch in Olivgrün unterwegs. Als klaren Import von den Aliierten sehe ich jedenfalls das Barett. Das Vorbild für die Springerstiefel müssen nicht unbedingt die Amis geliefert haben, da steht uns "Kamerad Schnürschuh" doch wesentlich näher. ;-)

@arboretum: Ja, eben, mich hat das auch gewundert. Allerdings hat sich die Bundeswehr vor allem beim Heer einen abweichenden Style gegönnt, bei der Marine und noch viel mehr bei der Luftwaffe waren Reminiszenzen an die Zeit vor 45 deutlicher vorhanden. Ich habe mich immer gefragt, ob es daran lag, dass unsere Luftwaffen-Einheit beim Spendensammeln vor Weihnachten bei der einheimischen Bevölkerung jedes Jahr wesentlich mehr Geld zusammenbrachte als die Heeres-Kompanien, mit denen wir uns die Westerwald-Kaserne teilten. Wenn wir in den langen Mänteln und mit den Schirmmützen auf dem Kopf klingelten, waren vor allem die alten Leute ziemlich hingerissen von unserem Erscheinungsbild. ;-)

Die NVA berief sich trotz aller Anklänge im Style aber nicht explizit auf die braune Diktatur zuvor, sondern auch auf preußische Traditionen. Wie zum Beispiel bestimmte Parademärsche. aber ich will das jetzt nicht zu eier Ringvorlesung in jüngerer Militärgeschichte auswalzen.

Ohne jetzt die NS-Gewaltherrschaft mit der SED-Diktatur zu sehr gleichzusetzen, kann man schon die Frage stellen, ob sich vom deutschen Wesen (was auch immer das sein soll) in der DDR mehr gehalten hat. Dort hat es nie ein so umfassendes Programm der re-education gegeben, und im Alltag wird sich (zumindest in Friedenszeiten) das Leben unter dem roten Stern gar nicht so sehr von dem unterm Hakenkreuz unterschieden haben. Zudem war das Personal der Besatzungmächte im Westen im Alltag präsenter als die Sowjets in ihren abgelegenen Kasernen und dem weitgehenden Kontaktverbot. Hinzu kam die Reisefreiheit im Westen. Somit halte ich es zumindest für möglich, dass in der Zone die deutscheren Deutschen leben, wenn man das so ausdrücken möchte.

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@mark
Auf die Schnelle find ich jetzt nix, aber sehen Sie mal da nach.
Oder hier (letzter Absatz - aber mehr zum Schmuzeln).

Mir ist jetzt auch nicht erinnerlich, daß einer der Jungmänner, die ich kannte, im Tarnanzug rumlief, was aber a. nix heißt (gefühlte 100 Jahre her) und b. Jungmänner in der Grundausbildung eventuell da auch nicht eingesetzt waren (außer bestimmte Spezialisten).

Aber ich werde bei Gelegenheit G H danach fragen. Der hat da sicherlich bessere Erinnerungen an seine Zeit als ich : )
Mir ist natürlich klar, daß es zwischen dem BH und der BW Unterschiede gibt - es geht ja nur jetzt um Tarnung beim Wehrdienst selbst.

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In diesen nervösen Zeiten bemerkt man Kinderstube, allerorts, oder eben auch keine, also die Abwesenheit derselben, allerorts. Und niemals zog ich jemals in Erwähnung, dieses hohe Maß an halbkollektiver Dummheit noch miterleben zu müssen. Sogar mittlerweile staatlich alimentiert und durchgefüttert, notgedrungen.

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Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die, die so lauthals behaupten, Flüchtlinge wüssten sich durchweg alle nicht zu benehmen, selbst nicht einmal das Minimum an Anstand besitzen.

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Auf den Punkt gebracht.

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Selbst fast 10 Tage nach diesem Beitrag bin ich noch immer sprachlos...

Wie ich aktuell vermehrt zu meinem Kunden (und sonst auch) sag: der Mensch ist ein dummes Tier.
Lernen aus der Geschichte? FEHLANZEIGE.

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