Samstag, 11. August 2012
Left In Ruins


Fast 400 Jahre existiert das Herrenhaus Üselitz, bis es die Bereitschaftspolizei Stralsund und die Kampfgruppe Bergen mutwillig zerstören. Dabei steht es da schon auf der Denkmalliste des Kreises. Dennoch missbrauchen sie das Haus als Übungsplatz und ruinieren es bis auf die Außenwände.



Das erste Mal taucht der Name Uselitze auf einer Urkunde aus dem Jahr 1311 auf. Bis Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte es dem Landesherren Herzog Ernst Ludwig von Pommern, der es dann eintauschte. Erich von Zuhm, der neue Besitzer, legt vermutlich das Gut an und lässt von 1580 an das Herrenhaus bauen. Der Eingang des Hauses liegt auf der Gartenseite, ein aufwändiges Renaissance-Portal, dessen Plastiken bei einem späteren Hausumbau abgeschlagen werden. Erst Anfang des 21. Jahrhunderts sollen Untersuchungen den alten Eingang wieder zu Tage fördern. Vermutlich erhält das Herrenhaus bei dem Umbau auch nachträglich ein Portal auf der Hofseite, geziert von Pilastern und einem Dreiecksgiebel, in dem ein Wappenrelief prangt. Die von Zuhm sollen sich mit dem Bau ruiniert haben.

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1644 gelangt Üselitz pfandweise in den Besitz von Friedrich von Ahnen, zwanzig Jahre später fällt es als Gnadenlehen an das Haus Putbus. Ende des Jahrhunderts nennt es dann die Familie von Normann ihr eigen, bis der Stettiner Ratsherr und Großkaufmann Friedrich von Langen 1706 das Gut kauft. Er ist Anfang des Jahres in den Reichsadelsstand erhoben worden. Ganz genau, es ist sein Nachkomme Eduard von Langen, der im 19. Jahrhundert das Gut Rosengarten bei Garz kauft oder erheiratet.



Die vornehmen Familien verkaufen sich gegenseitig häufiger Herrenhäuser auf der Insel und mitunter sogar ganze Dörfer. 1616 verlieren nämlich auch die Rüganer Bauern aufgrund der „Bauern und Schäferordnung“ ihr Recht an Haus und Land. Fortan müssen sie als Leibeigene Dienste für ihre „Leibherren“ verrichten und Abgaben entrichten. Die Gutsherren wiederum zerstören Dörfer, um ihre Ländereien zu vergrößern. „Bauernlegen“ nennt sich das.*

Ernst Moritz Arndt - Sohn von ehemaligen Leibeigenen, die kurz vor seiner Geburt frei kommen - berichtet 1803 in seiner Schrift Geschichte der Leibeigendschaft in Pommern und Rügen vom schwunghaften Handel, den manche Gutsherren untereinander mit Dörfern treiben:

Dies veranlasste an manchen Stellen förmliche Bauernaufstände, welche durch Soldatenentsendung und Einkerkerung gedämpft werden mussten. Auch wurden, wie es munkelte, einzelne böse Edelleute und Pächter gelegentlich wie Tiberius durch nächtliche Überfälle unter Kissen erstickt.

Der schwedische König Gustav IV. Adolf - Rügen steht seit Mitte des 17. Jahrhunderts unter der Herrschaft der schwedischen Krone - hebt 1806 die Leibeigenschaft in Schwedisch-Pommern auf.



Die Familie von Langen besitzt das Gut die nächsten 203 Jahre, verpachtet es aber meistens. 1939 verkauft sie es an Burghard von Veltheim, dem auch das Rittergut Schönfließ im Mühlenbecker Land an der Oberhavel gehört. Anfang 1945 finden Flüchtlinge im Haus und den Nebengebäuden Aufnahme. Sie bleiben auch, als von Veltheim 1945 enteignet wird, und ziehen in das Gutshaus, in das Trennwände eingebaut werden. Bis zu zwanzig Familien - ungefähr 90 Personen - sollen dort gewohnt haben. 1968 zieht die letzte Bewohnerin aus, zwei Jahre später stürzt das Dach ein.



Seither steht das Haus leer – leichte Beute für Materialsuchende und Vandalen.



Es gibt Pläne, das Haus als Betriebsferienheim zu nutzen - der Greifswalder Bodden ist schließlich nah -, aber der Rat des Kreises lehnt sie ab. Allerdings nimmt er das Herrenhaus in seine Denkmalliste auf. Doch dann kommen die Banausen von der Bereitschaftspolizei und der Kampfgruppe und machen alles kaputt.



Nach 1990 haben die Erben von Burghard von Veltheim zunächst vor, die Ruine zu kaufen und zu sichern. Der Park ist völlig verwildert, die Bäume wachsen bis dicht an die Mauern heran.



Erst 1998 gelangt das Anwesen wieder in Privatbesitz, jedoch nicht in den der Nachfahren. Die neuen Eigentümer sichern die Ruine und lassen auch jene Bauuntersuchungen machen, die das Renaissance-Portal zum Vorschein bringen.



Sie beginnen, den Park zu pflegen, er ist Außenstandort der Internationalen Gartenausstellung 2003 in Rostock. Derzeit wird das Gebiet darum herum auf eine Überflutung vorbereitet - als Ausgleich für den Bau der Rügenbrücke. Denn bis in die 1920er Jahre existiert dort eine kleine, später trockengelegte Wiek.



Außerdem erstellen die neuen Eigentümer Pläne für den Ausbau der Ruine. Zeitgenössische Architektur soll die alte Bausubstanz ergänzen.



Wie es um diese Pläne derzeit steht, vermag ich nicht zu sagen. Als meine Begleitung und ich Anfang August die Ruine um die Mittagszeit besuchen, ist weit und breit kein Mensch zu sehen. Das Wetter ist schön, doch der Kran steht still. Baulärm ist nur aus der Ferne von einer anderen Baustelle zu hören. Es liegen Backsteine da, auch ein Dixi Klo gibt es, dennoch vermutet meine Begleitung, dass hier schon länger nichts mehr passiert ist. Vielleicht fehlt es auch gerade nur an Geld, um weiterzuarbeiten. Oder die Bauherren machen wie wir 'mal Urlaub.



(* Quelle zum Thema Leibeigenschaft: Planet Wissen. Die meisten Informationen zum Herrenhaus Üselitz fand ich in dem Buch "Schlösser und Herrenhäuser auf Rügen" von Sabine Bock und Thomas Helms, 3. Auflage 2011.)

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Und so sah das Haus einst aus, die Aufnahme soll um 1900 entstanden sein.

Es sind eine ganze Reihe von Gutshäusern auf Rügen verloren gegangen, der Verlust von Üselitz und Pansevitz sowie Schloss Putbus ist am herbsten, denn sie waren architektonisch wertvoll. Und vor allem wäre es vermeidbar gewesen.

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Herr Klagefall war kürzlich in Üselitz und berichtete, dass das Herrenhaus wieder aufgebaut ist. Wie schön.

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