Samstag, 22. September 2007
Freiheit statt Angst


Die meisten, die sich am Bahnhof eingefunden haben, dürften so um die 20 sein. Die Antifaschistische Aktion hat ein Transparent gemalt und ihre Fahne mitgebracht, auch die Grüne Jugend zeigt Flagge. Ich gehöre zu den wenigen, die schon über 30 sind, immerhin entdecke ich auch ein paar Altlinke und sogar Attac-Omis. Zwei Mädchen haben sich Pace-Fahnen um die Hüften geschlungen, später werden die beiden wie Cheerleader der Demo vorneweg tanzen und unermüdlich Parolen skandieren.



Ein schwarzer Mops beweist ebenfalls eine klare Haltung gegenüber dem Bundesinnenminister: Er kratzt sich ausdauernd hinter dem Ohr. Ich bin so fasziniert von seinem politischen Bewusstsein, dass ich glatt vergesse, ihn zu fotografieren. Am auffälligsten ist aber die Piratenpartei. Viele Passanten halten die jedoch für einen Fanclub von St. Pauli. Mit jugendlichem Enthusiasmus sprechen ihre Demo-Ordner die Vorbeilaufenden an, verteilen eifrig ihre Leporellos und bitten um Unterschriften, die sie für die Zulassung zur Landtagswahl brauchen.



So stehen wir vor dem Hauptbahnhof herum, bis einer zum Megaphon greift und die Demonstranten erst einmal freundlich begrüßt. Wir haben gerade mit Berlin telefoniert, sagt der Typ im gelben T-Shirt, der Platz vor dem Brandenburger Tor ist voll. Die Menge klatscht und jubelt.



Jetzt zur Demo-Route, sagt er dann. Wir gehen die Allee entlang, die große Straße hoch zum Platz, und da stehen wir noch ein bisschen herum. Alles lacht. Klingt doch nach einem prima Plan.

Also, dann können wir jetzt losgehen, sagt er - oder wartet noch irgendwer auf irgendjemanden? Wieder Gelächter. Endlich geht es los. Aber schon nach wenigen Metern renne ich beinahe meinen Vordermann um. Die Spitze unseren kleinen Demonstrationszuges bleibt plötzlich mitten auf einer Verkehrsinsel stehen: Die Fußgängerampel zeigt gerade rot. Unwillkürlich muss ich grinsen, so was hätte es in meiner Jugend auf einer Demo nicht gegeben. Mensch, sind wir brav, sagt einer der Abiturienten neben mir. Wir grinsen beide.

Unser Häuflein latscht die Allee entlang, zögerlich rufen einige ein paar Parolen. Doch sobald der Typ mit dem Megaphon still ist, lässt auch der Elan der Demonstranten nach. Da nützt es auch nichts, dass die beiden Cheerleader unermüdlich rufen und im Hüpfschritt vorneweg marschieren. Jemand sagt dem im gelben T-Shirt, dass er doch lieber den Mädchen das Megaphon geben soll, aber er reagiert nicht und schont weiter seine Stimme.

In Berlin ist es bestimmt geil, sagt einer der Demo-Ordner. Bei so vielen Leuten ist die Stimmung viel besser. Ja, sagt der hübsche Junge neben ihm. Aber das wäre zu weit gewesen, ich habe so schon 13 Euro bezahlt, um hierher zu kommen.

An der nächsten großen Kreuzung hupen ein paar Autofahrer, das bringt die Menge in Schwung, laut schallen die Parolen. Es hält aber nicht lange vor. Immerhin, als wir die große Straße hoch laufen, schließen sich zwei Männer über 40 spontan der Demo an.



Bald darauf haben wir den Platz erreicht, auf dem wir noch ein bisschen herumstehen wollen. Die Menge lässt sich gemütlich nieder, aus der ein oder anderen Ecke riecht es süßlich, vor allem bei den Punks. Zumindest das hat sich seit damals nicht geändert. 80 bis 100 Leute zähle ich, aber Jusos habe ich immer noch keine entdeckt. Das scheint das Problem zu sein, einfach zu unauffällig, diese Partei. Oder sollten etwa gar keine gekommen sein?

Jemand steigt auf eine Parkbank und hält eine lange Rede. Lang, wegen der vielen Denkpausen zwischendurch, so dass man nie weiß, ob es das nun war oder noch nicht. Danach meldet sich nochmals der Typ im gelben T-Shirt zu Wort. Er freut sich, dass doch so viele Leute zur Demo gekommen sind. Schließlich hätten sie vom Chaos Computer Club erst eine Woche zuvor die spontane Idee gehabt, auch eine "Freiheit statt Angst"-Demo zu veranstalten. Wir dachten, sagt er, dass wir dann hier zu zehnt im Regen stehen würden und hinterher vielleicht noch ein Bier trinken gehen. Aber nun war das Wetter schön, und es kamen viel mehr Leute, als wir erwartet hatten. Ein Bier gehen wir jetzt trotzdem noch trinken, sagt er und steigt wieder von der Bank.

Eindeutig der bessere Redner, sage ich zu dem Paar neben mir. Die beiden sind ungefähr in meinem Alter und finden das auch. Allmählich löst sich die Menge auf, nach einer guten Stunde ist die Demo auch schon wieder vorbei.

Sorry, hat jetzt doch etwas gedauert, bis ich dazu kam, es zu erzählen. Gestern schien halt auch die Sonne so schön.

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Dressed to kill win


Heute Abend gehe ich mit dem Karo König ins Casino.

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