Dienstag, 12. Juni 2007
Mal mir doch mal ein Bild
Und dann plötzlich, in der Vitrine, die Filzstifte.
Solche hatte ich als Kind einmal bekommen. Damals, als ich mir zu meinem elften Geburtstag Filzstifte wünschte, und fast jeder Erwachsene, der meinen Wunschzettel gesehen hatte, mir dann Filzstifte schenkte. Am Ende waren es 136.

Kein Kind braucht so viele Filzstifte, also schenkten wir einen Teil davon weiter. Meine Mutter hatte mir das vorgeschlagen, und sie packte welche ins DDR-Paket. Ob auch die Filzstifte darunter waren, die am Rand der weißen, runden Kappe ringsum eckige Kanten hatten, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich noch gut an diese Stifte. An die Kappen, die sich nur schwer abziehen ließen, wie leicht taten sich Kinderfinger an den harten Plastikkanten weh. Diese Sorte Filzstifte habe ich später nie mehr gesehen - bis ich im Mai 2002 vor der Vitrine mit den Dingen stand, die die Häftlinge herstellen mussten, dort in Bautzen II.

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An diese Stifte erinnere ich mich auch noch gut. Ich wusste nicht, daß sie aus der DDR kamen, aber wer weiss sowas schon als Kind?

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Das dürften im Westen die wenigsten Leute gewusst haben, vor allem nicht, dass diese Stifte im Stasi-Knast hergestellt wurden. Druckknöpfe auf Pappstreifen lagen auch in dieser Vitrine herum, die kamen mir ebenfalls sehr bekannt vor.

Es kam ja so einige Waren aus der DDR, Pressspanplatten für IK*A, Karnevalbonbons oder Anzüge für Quelle. Quelle ließ auch im berüchtigten Frauenknast Hoheneck Kittelschürzen nähen.

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Die beste Freundin hat die Stifte ebenfalls sofort erkannt, einst besaß sie die auch. Mir wurde bei deren Anblick ganz anders. Wir waren zuvor ziemlich lange durch das Gebäude gelaufen, die Stifte haben mir dann den Rest gegeben. Ein Cousin meiner Mutter hat dort eingesessen, als Kinder kannten wir ihn noch nicht, aber meine Großmutter hat manchmal von ihm erzählt.

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und das, wo ich gerade hier gelesen habe.

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Berüchtigt waren auch die Tigerkäfige (ich glaube, so hießen die).

In Hohenschönhausen gibt es eine Isolationszelle, die komplett mit schwarzem Gummi ausgekleidet ist. Man weiß von einem Gefangenen, der dort 18 Tage in totaler Dunkelheit eingesperrt war, er hat den Verstand verloren.

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Nicht ganz so schlimm, aber depravierende Haftbedingungen gibt es auch im Westen. Ob nun Stammheim, Zweibrücken, der Drogenknast in Hadamar oder die H-Blocks in Nordirland: In den 1970ern und 80ern hat man damit experimentiert, wie sich der Entzug von Sinneseindrücken auf Gefangene auswirkt: Völli weiße Wände, an die keine Bilder gehängt werden dürfen, totale Schallisolation, Milchglasfenster oder Sichtblenden, die keinen Blick in den Hof ermöglichen, das Licht lässt sich von den Gefangenen nicht an- oder abschalten und brennt entweder 24 Stunden am Tag oder geht in unregelmäßigen Abständen über Tag und Nacht verteilt an und aus. Niemand bleibt ben solchen Haftbedingungen ohne manifeste psychophysische Schäden.

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Che, ganz ehrlich, vor die Wahl gestellt, hätte ich mich jederzeit für Stammheim entschieden. Abgesehen davon, saßen die, die in Hohenschönhausen gefangen waren, oft nur, weil sie ihr - auch in der DDR-Verfassung festgeschriebenes - Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hatten. Da bestanden schon noch ein paar Unterschiede, sowohl im Hinblick auf die Haftbedingungen als auch auf die Taten, derentwegen sie verurteilt worden waren.

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Das wollte ich auch gar nicht miteinander vergleichen, sondern nur darauf hinweisen, dass nicht nur in Diktaturen die Menschenrechte von Gefangenen verletzt werden. Z.B. war es noch vor gar nicht so langer Zeit in Frankreich verbreitet, dass Häftlinge (keine Terroristen) "auf der Flucht erschossen" wurden, die eigentlich gar nicht fliehen wollten.

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Das fängt schon im Kleinen an, dass Menschenrechte und Menschenwürde im Gefängnis mit Füßen getreten werden, da braucht man sich nur die überbelegten Zellen anschauen, in denen oft nicht einmal die Toiletten abgetrennt sind, sondern offen im Raum stehen. Doch hier ging es mir speziell um die Staatssicherheit und das Elend, die einem beide auf diesem Wege viel näher waren, als man selbst oft glaubte. Und um das Grauen, wenn man es bemerkt.

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Das kann ich gut nachvollziehen. Ich hatte ähnliche Erlebnisse mit DDR-Dissidenten, nachdem ich bestimmte Plätze im Osten aufsuchte, und nach der Rückkehr aus Urlaubsländern der "Dritten Welt", wenn ich hinterher Folterberichte las. Und auch hinsichtlich Spanien, als ich erfuhr,dass z.B. die Musikboxen auf einer belebten (von mir idyllisch empfundenen) Plaza ursprünglich mal aufgestellt wurden, um die Schreie der Gefolterten eine Etage tiefer (im Franco-Regime) zu übertönen.

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