George Barnett: Lone Rose
Cheap Trick: My Twisted Heart
Aynsley Lister: Rain
Echo and The Bunnymen:
Ocean Rain
Imany: You Will Never Know
Vampire Weekend: Hannah Hunt
Iyeoka: Simply Falling
Aynsley Lister: Always Tomorrow
Indochine: She Night
Noora Noor: Forget what I said
Kite: Jonny Boy
Louis Garrel: Ma mémoire sale
Kovacs: My Love
Kaz Hawkins: Because You Love Me
Luce Dufault: Damn Your Eyes
Jessie Ware: Wildest Moments
Vienna Teng: In Another Life
Bobby Long: Who Have You Been Loving
Charlie Sexton: Wishing Tree
Sandie Shaw: Nothing Less Than Brilliant
Candi Staton: When Will I?
George Barnett: Where The Devil Sleeps
Das Blau der Nacht hat sich längst herabgesenkt, als mich mein Freund Wolf, der Sprachen lernt wie andere Leute Briefmarken sammeln, überraschend anruft. Ob ich von Cornelius gehört habe?
Cornelius ist Musiker und ein gemeinsamer Freund. Seit er vor fast drei Jahren zurück in seine Heimat in der Nähe von Stuttgart gezogen war, um sich um seine hochbetagte Mutter zu kümmern, habe ich ihn nur noch sehr selten gesehen. Ich schreibe ihm ab und an, hin und wieder telefonieren wir länger miteinander. Mitunter ruft er an, um mich kurzfristig zu einem seiner Konzerte einzuladen.
Nein, entgegne ich Wolf, ich habe schon länger nichts mehr von Cornelius gehört. Wieso?
Vor anderthalb Wochen, erzählt mir Wolf, stürzte Cornelius daheim die Treppe hinunter, brach sich beide Unterarme und verletzte sich zwei Halswirbel. Seine 94-jährige Mutter fand ihn etwa zwei Stunden später auf halber Treppe. Sie hatte sich geärgert, dass er nicht zum Essen heruntergekommen war und wollte schauen, wo er steckt. Da hörte sie sein Wimmern.
Cornelius liegt auf der Intensivstation und kann sich vom Hals abwärts nicht mehr bewegen. Das zweite MRT zeigte leider keine Besserung. Zwischendurch war er schon mal ansprechbar und bedeutete seiner älteren Schwester, dass sie ihm doch bitte Musik mitbringen möge. Dass er wegen des Beatmungsgerät und der Schläuche im Mund nicht sprechen konnte, regte ihn ziemlich auf, berichtet Wolf weiter. Die Verständigung läuft wohl irgendwie über eine Buchstabentafel. Momentan geht es Cornelius jedoch wieder schlechter, er hat gerade die zweite Lungenentzündung.
Später liege ich im Dunkeln lange wach und weiß nicht, ob ich für ihn um ein Wunder oder um Erlösung beten soll. Am Ende bitte ich darum, ihm beizustehen.
Ja, es ist unendlich traurig. Die beste Freundin, die Cornelius auch kennt, kann es auch noch gar nicht richtig fassen. Ihr Mann stürzte vergangenes Jahr vom Fahrrad und brach sich einen Rückenwirbel. Nach bangen Tagen stellte sich aber zum Glück heraus, dass es heilen wird.
Vor drei Nächten habe ich schlecht von Cornelius geträumt, so schlimm, dass ich aus dem Schlaf schreckte und danach lange wach lag.
Ich weiß es nicht. Das Rückenmark ist zwar nicht durchtrennt, sondern "nur" gequetscht, aber "hohe Querschnitte" seien immer schwierig, erläuterte mir der schöne Physiotherapeut.
Vor kurzem wurde Cornelius von der Intensivstation verlegt, mailt mir Wolf. So lange Cornelius aber wegen der Beatmungsmaschine noch nicht wieder sprechen kann, möchte er keinen Besuch. Er wird wohl derzeit auch noch sediert.
Kleiner Lichtblick: Ausgehend von den Schultern kehrt zunehmend etwas Gefühl - nicht Motorik - in Richtung Unterarme zurück.
Cornelius wird ein sehr hohes Maß an Resilienz und Geduld benötigen. Wolf schrieb mir vor ein paar Tagen, laut Pflegepersonal komme ganz typischerweise der Fall in tiefe Depression, wenn die Sedierung reduziert oder aufgehoben wird und die Patienten nicht nur reden, sondern auch in sich gehen und den Ernst ihrer Lage verinnerlichen können.
Wenn ich ermesse, was mir meine vergleichsweise überschaubare Situation abverlangt, scheint es mir fast, als bräuchte es schier übermenschliche Kräfte, um dieses Päckchen zu tragen.
Ja, die Situation ist zum Verzweifeln. Der Tag zieht sich unendlich, wenn man im Bett liegt und selbst nichts machen kann außer die Decke anzuschauen. Selbst wenn er Musik oder ein Hörbuch hören möchte, braucht er jemanden, der es ihm ein- und wieder ausschaltet.
Ich habe mir vorgenommen, ihm wenigstens einmal in der Woche eine Postkarte zu schreiben. Ich bin zwar unsicher, was ich schreiben und wie viel ich von meinem Alltag teilen kann und soll, ohne dass es eine Zumutung für ihn ist, weil er all diese Dinge nicht mehr tun kann.
Danke. Ich vermute, er wurde direkt dorthin verlegt, weil er zwar noch intensivmedizinisch versorgt werden muss, diese Uni-Klinik aber auf Querschnittlähmungen spezialisiert ist. Er sollte neulich schon dorthin, als er die zweite Lungenentzündung hatte, dann verzögerte es sich aber, weil es ihm wieder schlechter ging.
Meine erste Karte hat er bereits bekommen und ließ dafür danken. Die zweite liegt bestimmt noch bei ihm daheim. Künftig kann ich ihm direkt dorthin schreiben, das Pflegepersonal lese die Post vor, berichtete Wolf. Die beste Freundin will ihm auch schreiben, sie kennt ihn ebenfalls lange.
Wolf rief mich gestern Abend um 22 Uhr noch an und erzählte, dass Cornelius inzwischen - entsprechend fixiert - mal in den Rollstuhl gesetzt wurde. Er habe es auch geschafft, eine Viertelstunde selbst zu atmen.
drücke daumen, so aus der ahnungslosigkeit heraus scheint jede veränderung des zustands gut, selber atmen ist bestimmt auch für den mann selber ein meilenstein. alles gute!
Danke. Ob er inzwischen beim eigenständigen Atmen weitere Fortschritte gemacht hat, weiß ich nicht - Freund Wolf will Cornelius' Schwester nicht überstrapazieren und dosiert deshalb seine Nachfragen. Ich hoffe sehr, dass Cornelius es schafft, wieder selbst zu atmen.
Wolf rief mich gestern am späten Abend an, nachdem er von Cornelius' Schwester eine Short Message bekommen hatte: Cornelius kann jetzt ein bisschen sprechen, Wolf könne ihn besuchen.
Wolf nannte mir heute die Mobilnummer von Cornelius' Schwester, sie koordiniert die Besuchstermine, da immer nur eine/r zu ihm darf. Ich kann aber so schnell noch nicht hin, ich habe selbst lauter Physiotherapietermine und muss auch noch die Steuererklärung machen.
Wolf hofft, dass er mit der Schwester mal einen längeren Besuchstermin für zwei aushandeln kann, bei dem halt erst der eine, dann der andere reingeht. Die Klinik ist ja auch nicht gerade um die Ecke, man fährt da schon ein Stück (auch wenn sie näher dran ist als die in Stuttgart).
Ich drück die Daumen, auch wenn ich die Koordination gut verstehen kann.
Man muß das respektieren.
Fand ich damals von G. nicht gut, als er meckerte, weil M - im Sterben liegen - teilnahms -los war, und das obwohl (harhar) grad so viele Leut anwesend waren.
Ich sage dazu nichts mehr.
Ich sagte, ich würde ihn noch gerne einmal sehen, G. solle das bitte mit ihm besprechen.
Ich geh davon aus, daß es dieses Gespräch nie gab, aber da ist so vieles, was G. mit sich ausmachen muß (und das bitte weit von meinem Leben).
Die Koordination ist auf jeden Fall sinnvoll, denn wenn jemand aus Cornelius' Freundeskreis ihn besucht, bedeutet das ja auch, dass sie nicht hingehen kann (bzw. muss). Vielleicht gibt es zudem Tage, an dem es für sie ohnehin schwierig ist, ihn zu besuchen, weil sie Termine hat.
Cornelius ist am Montag vergangener Woche auf die normale Station im Querschnittzentrum verlegt worden. Wolf wollte ihn eigentlich am vorvergangenen Wochenende besuchen und fragte, ob ich mitkomme und wir uns das Schöne Wochenende-Ticket teilen, aber ich war verhindert. Er ist dann auch nicht gefahren. Ich werde es so bald leider auch nicht schaffen, zumal ich am Wochenende auch wieder arbeiten muss. Einstweilen schreibe ich weiter Karten.
Und für die olle Steuererklärung habe ich nochmals Verlängerung beantragt und bekommen.
Wolf rief mich heute an, er hatte mit der Schwester von Cornelius telefoniert (das vorherige Telefonat war schon eine Weile her). Cornelius kann wieder mit den Schultern zucken.
Wolf, der mich treu mit den neuesten Infos versorgt, berichtete mir gestern, dass Cornelius noch bis Mitte Januar im Querschnittzentrum bleiben kann. Wir hatten das beide für ihn erhofft.
Ja, denn vermutlich wird er danach so bald keine solch intensive, spezialisierte Behandlung bekommen, sondern in ein Pflegeheim umziehen müssen. Hoffentlich wird es wenigstens eins sein, dass auf hohe Querschnitte spezialisiert ist und kein herkömmliches Alten- und Pflegeheim sein.
Aktuell warte ich gerade auf ein Update von Wolf, der wollte gestern auf einer Fahrt woandershin einen Zwischenstopp bei Cornelius einlegen. Er ist noch im Querschnittzentrum, der Aufenthalt wurde doch nochmals bis März verlängert. Zuletzt berichtete Wolf, dass Cornelius sich mit einem Sprachcomputer vertraut mache, das ist aber schon vier Wochen her.
Die beste Freundin und ich mussten unseren Besuch bei Cornelius verschieben, sie hatte sich Keuchhusten eingefangen und ihm wurde an dem geplanten Tag eine Medikamenten-Pumpe implantiert. Danach bekam er Fieber und ich Bronchitis (huste immer noch). Ende Januar gelang es mir mal, telefonisch durchzukommen, da sprach ich kurz mit ihm bis die Physiotherapeutin auf der Matte stand. Seither habe ich ihn nicht mehr an die Strippe gekriegt - es muss ja immer jemand den Hörer für ihn abnehmen.
Das hoffe ich auch. Die Mutter der besten Freundin wurde unlängst am Herzen operiert und ist derzeit in Reha, deshalb wird es wohl noch dauern. Wolf musste seinen für gestern geplanten Besuch verschieben, da der andere Termin platzte. Wolf spricht nicht darüber, aber ich weiß, dass er momentan gerade selbst Sorgen hat.
Mir wurde es sehr schwer ums Herz, als ich unlängst Gija KantschelisChiaroscuro im Konzert hörte und dabei natürlich an Cornelius denken musste.
Wann immer ich es auch versuche, ich bekomme Cornelius nicht an die Strippe. Vergangene Woche erwischte ich nur jemandem am Stationstelefon, sie sagte, er sei noch im Querschnittzentrum, wie lange er noch dort bleibt, konnte oder wollte sie mir jedoch nicht sagen. Lediglich die Info, dass meine Post noch ankäme, konnte ich ihr entlocken. Leider klang sie nicht so, als könnte ich sie jetzt bitten, mal in sein Zimmer zu gehen und den Hörer für ihn abzunehmen.
Ich weiß. Die, die ich bei früheren Gelegenheiten an der Strippe hatte, kannten meinen Namen vermutlich schon von den Briefen, denn da bekam ich Auskünfte.
Die Dame klang nicht so, als würde sie es mal in sein Zimmer gehen und den Hörer für ihn abnehmen - oder ihm von meinem Anruf berichten.
Cornelius konnte den ganzen März nicht aus dem Bett heraus, hat mir seine Schwester Barbara eben am Telefon berichtet. Am Freitag wurde er nochmals operiert, diese Pumpe musste getauscht werden. Samstags war seine Band da und spielte für ihn, er hörte vom Bett aus zu. Als Barbara vorigen Sonntag bei ihm war, war er noch sehr schwach.
Wenn hoffentlich alles gut geht, zieht er Mitte April zurück ins Rhein-Main-Gebiet in eine Wohngruppe für Intensivpflege. Gesprächspartner wird er dort wohl eher nicht finden, denn die meisten Bewohner haben ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Aber wir Freunde können ihn dort besser besuchen als in einer Wohngruppe in Schwaben. Drücken wir Cornelius also die Daumen, dass das klappt und er umziehen kann.
Ich habe Barbara auch gefragt, wie es ihm seelisch gehe. Sie sagte, mit ihr spreche er darüber nicht. Wir vermuteten dann beide, dass er auch mit anderen nicht darüber spricht, denn das hat er auch früher schon nie getan.
Nachdem ich es vorhin wieder einmal vergeblich unter seiner Kliniknummer versucht hatte, habe ich Barbara angerufen. Sie sprach zuletzt am Samstag mit ihm, da konnte er schon den zweiten Tag hintereinander aus dem Bett heraus.
Im Laufe des Gesprächs erzählte sie mir, dass er sein Schicksal noch nie beklagt habe.
Ja. Barbara meinte, was ihm früher oft im Weg gestanden habe, gebe ihm nun die Stärke dafür.
Ich habe gestern eine Studienfreundin von Cornelius ausfindig gemacht, nachdem mir Barbara erzählte, er hätte gern wieder Kontakt zu ihr jedoch nicht mehr ihre aktuelle Adresse. Seine Studienfreundin rief mich eben an. Sie wusste noch gar nichts davon und muss das nun auch erst einmal verdauen. Sie wird ihn aber in der WG ebenfalls besuchen und will auch noch andere alte Freunde von ihm ausfindig machen. Ich meinte, es sei vielleicht besser, ihn erst einmal zu fragen, wen er davon sehen möchte.
Heute Abend habe ich Cornelius in der Wohngruppe für Intensivpflege besucht, in die er gestern umgezogen ist. Das Zimmer ist natürlich noch etwas kahl an den Wänden, aber hell, mit vielen Fenstern. Er freut sich auf den für morgen geplanten, ersten Ausflug in Begleitung eines Pflegers. Hoffentlich klappt das - er wurde heute Abend doch häufiger einmal von Husten und Krämpfen geschüttelt. Diese Spastiken seien nicht so gut, wenn er im Rollstuhl raus wolle, sagte er.
Er hat bereits einen Mitbewohner, den hat er aber noch nicht kennengelernt. Der Pfleger bezog gerade schon das nächste Bett im noch leeren Nachbarzimmer.
Auf dem Heimweg bin ich an der Autobahnausfahrt vorbeigefahren. Normalerweise findet das Auto den Weg von allein.
Ja, ich war auch froh, ihn wiederzusehen. Nun kommt es darauf an, es fortan regelmäßig zu tun. Vermutlich wird Wolf derjenige sein, der ihn am häufigsten besuchen wird, nicht nur, weil er in der Nähe wohnen wird, sondern auch, weil er ein sehr, sehr loyaler Freund ist.
Ich werde Cornelius auf jeden Fall weiterhin schreiben, weil es einfach schön ist, Post zu bekommen.
Sagen Sie sowas nicht...
Ich war letztes Jahr ziemlich aufgebracht, daß es nur vereinzelt jemand für notwendig befand "ist angekommen" zu sagen, paar wenige auch noch auf Anfrage und 90% einfach überhaupt nicht reagiert haben.
Stimmt aber dennoch. Ich hatte mal vor einiger Zeit ein Kartenprojekt laufen und jemanden mit fast wöchtenlicher Post den Rehab-Aufenthalt zu verkürzen versucht.
Ob es wirklich geklappt hat, weiß ich nicht. Auch nicht, ob alles ankam. Auch so ein Fall, wo nur auf ganz konkrete Anfrage eventuell eine Antwort kommt.
Wenn ich mal nur von mir aus schließe: Post macht glücklich.
Und kann man festhalten.
Stimmt. Man liest einen Brief auch eher ein zweites oder drittes Mal als eine Mail.
Ich kann gut nachvollziehen, warum Sie aufgebracht waren. Wobei ich auch oft ziemlich lange brauche, bis ich antworte - gerade, wenn ich mich über die Post gefreut und sie nicht nur mit einer kurzen Mail, sondern mit einem richtigen Brief beantworten möchte.
Dass gar keine Reaktion kam, ist mir im vergangenen Jahr drei Mal mit Kondolenzbriefen so ergangen. Schon etwas verwirrend, aber nachfragen mochte ich in dem Fall nicht. Ich gehe aber davon aus, dass sie ankamen.