Freitag, 26. Februar 2010
Der Rote
Wir sprachen untereinander nur selten darüber. Wir wussten auch so, was los war. Darum brauchte es auch nicht viele Worte, als mir Steffi* und Tamara* mit einem schiefen Grinsen jenes Buch zeigten, das Tamara zufällig in unserer Schulbibliothek entdeckte. Es war ein Kinderbuch mit vielen Bildern und hieß „Der Graue“, glaube ich. „Der Graue“ war nett zu Kindern. Wie er aussah, wusste keiner so genau. Er konnte groß sein oder klein, jung oder alt, darum war auf allen Bildern immer nur eine schemenhafte, graue Gestalt zu sehen. „Der Graue“ sprach Kinder auf der Straße oder dem Spielplatz an und schenkte ihnen sogar Schokolade. Doch niemals sollte ein Kind mit ihm gehen, sondern schnell nach Hause zu den Eltern laufen. „Der Graue“, warnte das Buch, war in Wahrheit böse und wollte Schlimmes tun.
Wir waren keine kleinen Kinder mehr und wussten längst, vor wem wir uns in Acht nehmen mussten. Kein Fremder, der uns Schokolade schenkt. Kein schemenhafter Grauer, sondern einer mit roten Haaren und Schweinsäugelein, der gern knallgelbe Frottiersocken in Sandalen trug. Wir sahen ihn fast jeden Tag. Er war unser Lehrer.
* Namen wie immer geändert.
Wir waren keine kleinen Kinder mehr und wussten längst, vor wem wir uns in Acht nehmen mussten. Kein Fremder, der uns Schokolade schenkt. Kein schemenhafter Grauer, sondern einer mit roten Haaren und Schweinsäugelein, der gern knallgelbe Frottiersocken in Sandalen trug. Wir sahen ihn fast jeden Tag. Er war unser Lehrer.
* Namen wie immer geändert.
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