Freitag, 5. Dezember 2008
Aufgeschnappt
Immer, wenn das Telefon nicht klingelt, weiß ich, es ist für mich.

- Elias Canetti -

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Momentan wünsche ich mir aber nichts sehnlicher als dass es mal klingelte. Seit Tagen telefoniere und maile ich Leuten hinterher, die ich dringend sprechen muss. Die lassen sich echt hintenherum heben und mir läuft allmählich die Zeit weg. Mist.

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Das Telefonklingeln in Canettis Zeit muss aber noch ein anderes Erlebnis gewesen sein. Selbst als ich Jugendlicher war, erlebte ich das Klingeln noch mit einiger Aufregung. Es hatte, obwohl ja alltäglich, etwas anderes, evtl. obszönes (besser kann ich das nicht sagen) und verbotenes.
In den letzten Jahren verbinde ich das Klingeln allerdings mit Unangenehmem und bin immer froh, wenn der AB vor mir abhebt. Hier hat sich das Medium als Schutz- und Warnschicht scheinbar zwischen das Aussen und das Innen geschoben. Ich weiss nicht, warum Männer sich nicht gern zusehen lassen beim Telefonieren (wenn das denn so ist), aber Scham und das Umgehen des öffentlich Performativen werden da evtl. gekoppelt. (Ich fühl mich beim Klingeln irgendwie so, als ob ich auf einmal nackt auf dem Marktplatz stehe und nun begründen soll, wie ich so anmassend sein könne...usw.)
Lange Rede. Mein Sinn: ich hoffe es klingelt, wenn Sie es wünschen.

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Sie haben mein Mitgefühl.
Heute habe ich jemanden drei Stunden lang dahin getreten, wo es keinen Sonnenschein gibt. (Nur bildlich natürlich, der Mensch saß ja.) Am Ende hatte ich dann alles, was nötig war. Nur wenig ist unangenehmer, als derart eklig werden zu müssen.

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Ich bin in einem Haus aufgewachsen, wo das Telefon sehr oft klingelte, zu allen Tageszeiten, mitunter sogar nachts. Sobald meine Schwestern und ich groß genug waren, um an das recht hoch hängende Telefon im Flur heranzureichen, waren wir die lebenden Anrufbeantworter.

Mich nervt eher, wenn der Anrufbeantworter vor mir abhebt, was häufiger der Fall ist, denn eins meiner Telefone hat offenbar einen Wackelkontakt. Ist aber erst einmal der Anrufbeantworter dran, bekomme ich das Gespräch nicht mehr. Weil es ein billiger ist, kann ich auch nicht ändern, dass er nach dem vierten Klingeln das Gespräch annimmt. So lange hier nicht beide Leitungen gleichzeitig klingeln und womöglich noch das Mobiltelefon dazu, finde ich es meistens nicht unangenehm. In der Schneekugelmanufaktur hingegen stört es mich sehr häufig. Die Sekretärin wurde eingespart, ich sitze im selben Raum wie das Sekretariatstelefon. An manchen Tagen kommt man da nicht zum Denken (und zum Essen auch nicht).

Ob sich Männer nicht gern beim Telefonieren zusehen lassen, weiß ich nicht. Gemeinhin heißt es ja immer, dass sie an sich nicht so gerne telefonieren.

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Dankeschön, Frau gnihihi. Ich darf leider nicht einmal eklig werden, sondern muss mich darauf beschränken, hartnäckig zu bleiben. Macht aber auch keinen Spaß.

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Das glaube ich! Es gehört meiner Erfahrung nach zum oben erwähnten Wenigen. An der Uni gewöhnte ich mir seinerzeit an, in solchen Fällen "hilfsbereit" zu werden: "Was kann ich dazu beitragen, den Vorgang zu beschleunigen?" (Stimme zuckersüß.) Das war Stufe eins. Stufe zwei und von einer Freundin abgeschaut: Persönlich anrücken, mit Klappstuhl, Proviant für mehrere Tage, Schlafsack und einem geflöteten "Ich gehe erst wieder, wenn ich alles habe. Möchten Sie auch ein Sandwich?" Sehr wirksam, aber Freunde macht man sich damit keine.

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Canettis Sentenz in ausführlich und andersrum?

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Vorschläge zur Lösung
1. Vorschlag: Als ich noch bei einem Internetdienstleister gearbeitet habe, sind wir dazu übergegangen bei Zuarbeit/Materiallieferungen durch Kunden, Werbe- oder PR-Agentur Fristen zu setzten. Im Sinne von "wir benötigen die ... bis zum ...".
2. Vorschlag - die moralische Keule: Six Sigma (http://de.wikipedia.org/wiki/Six_Sigma) ist zur Zeit echt "in" als Methode der Prozessoptimierung. Wie wärs mit: "Also das ist jetzt echt nicht 6s konform..." Klingt ein bisschen nach "Problemkerze", kann aber nach Belieben umformuliert werden.


@gnihihi: Sie haben nicht zufällig in Göttingen promoviert und stammen aus dem Freistaat Bayern? Ich kenn da eine zur der würde die Methode passen...

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Ich vermute, die haben von Six Sigma bislang genauso wenig gehört wie ich, und wenn doch, sähen sie das wohl als für sie wenig relevant an. Dass es eilt und noch diese Woche passieren muss, habe ich denen schon mehrfach gesagt, aber Halbgötter und kleine Könige lassen sich halt nur bitten, nicht zwingen. Es sind schließlich keine Kunden - auch wenn das durchaus in deren Interesse ist, mit mir zu sprechen.

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Wenn diese Bonsaikönige wüssten, wie abhängig sie von Geduld, Nachsicht und Ausleuchtung sind. Mögen diese Kreaturen Ungemach erleben, Sie aber rechtzeitig anständige Gesprächspartner finden!

cvs, bedaure, nein, ich war noch nie in Göttingen und stamme auch nicht aus Bayern. Ich werde die Freundin aber bei Gelegenheit fragen, ob sie Bekannte oder Verwandte hat, die dort studierten. Hatte man sich erst einmal zu der Methode überwunden, erwies sie sich als so wirksam, dass es mich nicht erstaunen würde, wenn sie weitere Verbreitung gefunden hätte. Leider funktioniert sie aber nicht in allen Zusammenhängen.

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Ich kann ja sehr hartnäckig sein und siehe da, plötzlich klappte alles wie am Schnürchen. Beim dritten Anruf fand die Vorzimmerdame kurzfristig einen Termin im vollen Kalender für mich und die Königin rief höchstselbst an. Einer der Halbgötter wurde von seinem Chef sogar verdonnert, mit mir zu telefonieren, obwohl er Urlaub hatte und seine Kinder hütete, und er war sogar zu einem zweiten Gespräch heute Abend bereit. Kein Ungemach möge ihnen drohen, letztlich waren sie alle sehr hilfsbereit.

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Das finde ich eine überaus erfreuliche Nachricht.

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ich kenne den spruch nur in abgewandelter form: "if your phone doesn't ring, it's me." (mitteilung des verlassenes teils einer liebesbeziehung an den teil, der ihn oder sie verließ.)

mach' dir nix draus.

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Dieser Satz stand neulich in meinem Adventskalender. Ich glaube, die meinten den dort anders, aber er lässt verschiedene Deutungen zu.

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Das ist aber zu schön von Elias Canetti formuliert. Ich kann es so richtig nachfühlen.

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Wie gerne würde ich mir als Fremder einmal zuhören, ohne mich zu erkennen und später erst erfahren, dass ich es war.

- Elias Canetti -

Das stand heute im Adventskalender (der geht noch bis zum 6. Januar 2009).

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