Samstag, 21. September 2013
Im Garten des toten Prinzen (I)


Wer nicht zur Familie oder deren Freunden gehört, dem bleibt der Park verschlossen. Nur an drei Wochenenden im Jahr öffnen sich die Tore von Schloss Wolfsgarten für alle: zum Rhododendronblütenfest im Mai und zum fürstlichen Gartenfest im September.



Das Schloss im Wald zwischen Langen und Egelsbach ist der Familiensitz derer von Hessen und nach wie vor bewohnt.



Als wir am zweiten Wochenende des Rhododendronblütenfests den Park besuchen, weht die Flagge auf Halbmast. Moritz Prinz und Landgraf zu Hessen ist drei Tage zuvor gestorben.



Es war ein bewegtes Leben: Sein Vater war ein Nazi, seine Mutter - eine italienische Prinzessin - starb im KZ. Und er selbst wurde später adoptiert - und sogar einmal entführt.

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Maurizio d’Assia, wie er in seiner Jugend genannt wurde, kam am 6. August 1926 im Schloss Racconigi im Piemont zur Welt. Seine Mutter war Prinzessin Mafalda von Savoyen, die Lieblingstochter des italienischen Königs Vittorio Emanuele III. Sein Vater, Philipp Prinz von Hessen, entstammte dem Hause Hessen-Kassel und war ein Urenkel von Queen Viktoria und Neffe von Kaiser Wilhelm II. Mafaldas Mutter, Elena von Montenegro, hatte die Ehe eingefädelt. Zwei Monate vor ihrem 23. Geburtstag heiratete Mafalda im September 1925 den sechs Jahre älteren Deutschen. Das Paar bekam drei Söhne und eine Tochter, doch die Ehe soll nicht sehr harmonisch gewesen sein.



Philipp Prinz von Hessen trat bereits 1930 in die NSDAP und 1931 in die SA ein und machte damit die Nazis in der besseren Gesellschaft „salonfähig“. Sein langjähriger Freund Hermann Göring - die beiden kannten sich seit 1924 -, machte ihn 1933 prompt zum Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau. Als Schwiegersohn des italienischen Königs vermittelte er Kontakte zu Mussolini und diente den Nazis mehrfach in diplomatischer Mission. Mit Hitler teilte er das Interesse an Kunst und Architektur, er half ihm beim Kauf zahlloser Kunstwerke für dieses Museum, das Hitler in Linz bauen wollte. 1939 bekam er das Goldene Parteiabzeichen. Zwei Jahre später kühlte das Verhältnis zwischen den beiden ab.



Nachdem sein Schwiegervater König Vittorio Emanuele III. im Sommer 1943 Mussolini verhaften ließ und im September mit den Alliierten einen Waffenstillstand schloss, ließ Hitler Philipp Prinz zu Hessen im Führerhauptquartier verhaften und ins KZ Flossenbürg bringen. Bis zum Kriegsende blieb Philipp in Konzentrationslagern inhaftiert. Die Amerikaner behielten ihn nach Kriegsende in Haft und verurteilten ihn 1947 als Hauptschuldigen zur Einziehung von einem Drittel seines Vermögens und zwei Jahren Arbeitslager. Die galten durch die Internierungshaft als verbüßt. Geld blieb ihm noch genug, so ließ er 1952 anstelle des zerstörten Stadthauses in Frankfurt das Nobelhotel Hessischer Hof errichten und kaufte 1957 für die Hessische Hausstiftung das Weingut Prinz zu Hessen in Johannisberg im Rheingau. Philipp Prinz von Hessen starb 1980 kurz vor seinem 84. Geburtstag in Rom.



Prinzessin Mafalda wurde bald nach der Verhaftung ihres Mannes mit einer List in die deutsche Botschaft in Rom gelockt und als Sonderhäftling nach Buchenwald eingeliefert. Sie teilte sich die Baracke mit dem SPD-Politiker Rudolf Breitscheid und dessen Frau, der Frauenrechtlerin Tony Breitscheid. Königin Elena gelang es zwar, ihre Enkel über den Vatikan nach Kronberg im Taunus zu deren anderen Großmutter in Sicherheit zu bringen, wusste aber nichts über den Verbleib ihrer zweiten Tochter. Mafalda bekam eine andere Identität verpasst – im KZ Buchenwald saßen schließlich auch italienische Kriegsgefangene. Einem von ihnen soll sie sich jedoch heimlich zu erkennen gegeben haben.



Am 24. August 1944 bombardierten die Alliierten Buchenwald, unter den vielen Todesopfern war auch Rudolf Breitscheid. Tony Breitscheid und Prinzessin Mafalda wurden schwer verletzt aus den Trümmern der Baracke geborgen. Der tschechische Lagerarzt wollte, dass Mafaldas linker Arm wegen der schweren Verbrennungen sofort amputiert würde. Es heißt, der SS-Standortarzt Gerhard Schiedlausky habe das vier Tage lang verweigert und dann dafür gesorgt, dass sie bei der Operation verblutet. Nach anderslautenden Berichten ist sie erst nach der Operation gestorben, an ihrem Sterbebett soll einzig die Zwangsprostituierte Irmgard Dusedau gesessen haben.



Erst nach der Befreiung Buchenwalds erfuhr ihre Familie von ihrem Schicksal. 1951 konnte ihr Grab identifiziert und ihr Leichnam nach Kronberg überführt werden. Tony Breitscheid überlebte ihrer Verletzungen und die KZ-Haft. Im Juli 1945 berichtete sie der italienischen Königin über Mafalda: „Ich glaube, sie wurde beschuldigt, über die Änderungen des politisches Kurses in Italien Bescheid gewusst und die deutschen Behörden darüber nicht informiert zu haben."



Ihr ältester Sohn Moritz von Hessen studierte nach dem Krieg Landwirtschaft, zunächst in Deutschland. 1947 holte Elena ihn und seinen ein Jahr jüngeren Bruder Heinrich nach Alexandrien, bevor die Brüder im Jahr darauf nach Italien zogen und dort weiter studierten. Moritz verwaltete das Familiengut Panker, das bekannt ist für seine Trakehnerzucht, die dort nach dem Zweiten Weltkrieg begründet wurde.



Ludwig von Hessen und bei Rhein, dessen Ehe kinderlos geblieben war, adoptierte Moritz 1960 und setzte ihn als Erbe ein. Ludwigs älterer Bruder Georg Donatus war 1937 mitsamt seiner schwangeren Frau und den beiden älteren Kindern auf dem Weg zu Ludwigs Hochzeit bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.



Georg Donatus' Tochter, die Ludwig nach dessen Tod adoptiert hatte, erlag mit drei Jahren einer Hirnhautentzündung.



Als schließlich Ludwigs Frau Margaret von Hessen und bei Rhein 1997 starb, waren die seit 1567 getrennten Linien Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt wieder vereinigt – und Moritz erbte Schloss Wolfsgarten.

Fortsetzung im Teil II.

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Die rosa- und flamingoroten Blüten sind ja ein Traum.

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Ich war auch ganz hin und weg. Auch die gelben Blüten fand ich sehr hübsch, ich wusste bis dato gar nicht, dass es auch gelben Rhododendron gibt. Meistens sieht man ihn nur in weiß oder lila.

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Sehr interessant. Dieser Familie bin ich in meiner Jugend mal sehr nah gekommen. Das wusste ich aber alles nicht ;)

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Ich vermute einmal, das geschah über eins der vier Kinder von Moritz: Mafalda (* 1965), Heinrich Donatus (* 1966), Elena (* 1967) und Philipp (* 1970).

Der ältere Sohn heißt übrigens nach Moritzens jüngerem Bruder Heinrich Wilhelm Konstantin Victor Franz Prinz von Hessen-Kassel, der am 30. Oktober 1927 als Enrico d'Assia in Rom zur Welt kam. Unter seinem italienischen Namen wurde er als Maler und Bühnenbilder - u.a. Mailänder Scala - bekannt. Der Künstler starb am 18. November 1999 im Schloss Wolfsgarten. Moritz und Heinrich hatten noch zwei jüngere Geschwister: Otto (1937-1998) und Elisabeth (* 1940). Otto war Professor für Frühgeschichte und Mittelalterarchäologie und etablierte mit zwei Kollegen diese Disziplin an italienischen Universitäten.

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So ist's. Er war sehr hübsch und sehr blond und irgendwann beim Friseur sah ich, dass er für die Vogue fotografiert.
Schöne Erinnerung.

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Im ersten Moment fragte ich mich eben, wie Philipp von Hessen aussah, nachdem er "irgendwann beim Friseur" war. :-)

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Er hat jedenfalls auch so sehr viel Haar verloren inzwischen ;)

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Oha. So alt ist er doch noch gar nicht.

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Ne, der arme. Aber gibt ja schlimmeres.

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Gewiss doch. Es hatte mich nur gewundert.

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