Donnerstag, 19. November 2015
Erschießt zuerst die Frauen
"Schießt zuerst auf die Frauen", soll eine Anweisung gelautet haben, die man in der BRD der bewaffneten Antiterrorismus-Einheit gab; den gleichen Rat erteilt Interpol anderen europäischen Einheiten. Ich habe mit Angehörigen mehrerer dieser Organisationen gesprochen, und obwohl keiner bestätigen wollte, eine solche Anweisung erhalten zu haben, hielten sie den Ratschlag doch für verdammt nützlich. Christian Lochte, bis zu seinem Tod Leiter einer Verfassungsschutzabteilung, hatte über zwanzig Jahre Erfahrung mit politischen Revolutionären, die in seinem Land gemordet und Bomben gelegt haben. Er meinte: "Für jeden, dem sein Leben lieb ist, ist es eine ausgesprochen gute Idee, sich die Frauen zuerst vorzunehmen. Meiner Erfahrung nach haben Terroristinnen einen stärkeren Charakter, mehr Durchsetzungskraft, mehr Energie."

- Eileen MacDonald: "Erschießt zuerst die Frauen!"
Die weibliche Seite des Terrorismus -

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Ist in der grauslichen Logik sicherlich wahr. Frauen knicken bei Verhören auch nicht ein. Nicht ab einen gewissen Punkt. Dafür muss man die Weiber echt bewundern. Natürlich nicht nur dafür. Weiber sind einfach cool. Ehrlich.

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Kann ich nur zustimmen.

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Als einstige ...
Studentin von Genderfragen neige ich dazu, solchen Sätzen seeehr zu misstrauen. Klingt für mich wie eine besonders höhnische Form von Sexismus. Warum ist denn die Kriminalitätsrate bei Männern sehr viel höher als bei Frauen? Ist Terrorismus anders als gemeine Kriminalität?

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Es ist schon etliche Jahre her, dass ich das Buch - erschienen 1991 - las. Die Autorin interviewte Terroristinnen aus verschiedenen Ländern - sie wollte "herausfinden, warum das weniger gewalttätige Geschlecht von den Antiterrorismus-Einheiten als das tödlichere betrachtet wird." Die Frauen, mit denen sie sprach, hatten die Attentate in den 1970ern und 1980er Jahren verübt.

In ihrem Schlusswort kommt sie nochmals auf jenen Christian Lochte zurück: "Seine Erklärung war, daß Frauen mehr überwinden mußten, ehe sie überhaupt in eine terroristische Gruppe gelangten; sie mußten gegen Sexismus genauso ankämpfen wie gegen den Feind. Und sie konnten die Ebenbürtigkeit am besten beweisen, indem sie noch härter waren als Männer. "Ich glaube [sagte Lochte], die Frage, wie Frauen ihren Platz in einer Welt finden, spielt eine wichtige Rolle in der Welt des Terrorismus. Es hat eine Menge mit Emanzipation zu tun."

Die Autorin selbst spricht auch das Thema Macht an, das ihr ein wichtiges Motiv zu sein scheint.

Das Kapitel über die Gespräche mit den ETA-Frauen ist mit dem Zitat "Wir haben viel mehr zu verlieren" überschrieben (übrigens berichteten die Frauen über körperliche und/oder seelische Folterungen seitens der spanischen Polizei in den Jahren 1981 bis 1984, einige von ihnen brachen auch irgendwann unter der Folter zusammen). In ihrem Schlusswort schreibt die Autorin des Weiteren: "Es scheint, dass eine Frau, die die Entscheidung trifft, mit Gewalt ein politisches Ziel zu verfolgen, vermutlich stärker motiviert ist als ihr männliches Gegenstück. Wenn ihre Opfer größer sind, ist ihr Wille stärker, diese Opfer auch wettzumachen. Wenn ihr Gefühl von Unterdrückung schräfter ist, ist ihr Wunsch zu kämpfen stärker. Wenn die Erwartungen an ihre Fähigkeiten geringer sind, wird sie viel mehr zu beweisen haben. (...) Gewiß wollten alle Frauen, die ich interviewte, als gleichberechtigt behandelt werden, und es war auffallend, dass die Schimpfnamen, die sie als Frauen verspotteten, mehr Wut auslösten als alles andere. (...) In dieser Hinsicht ist die Ansicht der britischen Antiterrorismus-Abteilung, die Frauen, mit denen sie zu tun haben, unterscheiden sich in nichts von den Männern, angemessen."

Um Ihre Frage zu beantworten: Ja, ich halte Terrorismus schon für etwas Anderes als herkömmliche Kriminalität.

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Danke für den Kontext!
Ja, damit kann ich das Posting sehr viel besser einordnen. Das beantwortet teilweise, aber nicht restlos, die Frage nach dem Unterschied zwischen herkömmlicher Kriminalität und Terrorismus. Aber ich glaube, wir lassen's hier - ist ein weites Feld!

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Kriminalität hat kein politisches Ziel.

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Ja, natürlich.
Aber das wirft eine lange Reihe anderer Fragen auf: Wie viele Frauen waren an diesen terroristischen Organisationen beteiligt? In welcher Stellung innerhalb der Organisation? Wie kommt es, dass die einen Menschen ihre Wut gegen das herrschende System richten, die anderen gegen ihre nächsten Angehörigen? Ist das eine irgendwie legitimer als das andere? Ich denke, ich werde das Buch lesen müssen :-)

Doch zu guter Letzt eine Geschichte, die für mich den Unterschied zwischen Terror und herkömmlichem Verbrechen in diesem Sinne verschwimmen lässt: Im Herbst 2001 bewaffnete sich ein Mann namens Friedrich Leibacher in der Kleinstadt Zug bis auf die Zähne. Dann ging er ins Zuger Parlamentsgebäude, wo gerade der Kantonsrat tagte (80 Mitglieder). Er begann zu schiessen und Handgranaten zu werfen und ermordete 14 Menschen. Ich erinnere mich gut an den Tag, drei Kollegen von mir wurden damals verletzt, Journalisten, die im Saal waren, um über irgendein Geschäft zu berichten. Eine Kollegin von mir verlor, damals noch sehr jung, bei dem Attentat ihren Vater. Für Leibacher selber war das in diesem Sinne ohne Zweifel ein terroristischer Akt (falls er überhaupt so weit denken konnte). Er fühlte sich vom System verarscht, von den Zuger Politikern, von den Zuger Verkehrsbetrieben, von der Zuger Zeitung und so weiter. Aber es war alles wahnhaft - ich hielt zwei Monate vor dem Attentat ein Fax von diesem Mann in meinen Händen, ich dachte: "Wieder so ein Spinner." Aber trotzdem: Sein politisches Ziel war es, dem Zuger "Establishment" einen Denkzettel zu versetzen.

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Auch bei der ETA und der IRA verschwammen die Grenzen zur organisierten Kriminalität, schließlich finanzierten sich beide auch durch Schutzgelderpressungen bei lokalen Unternehmen.

Bei Breivik stand auch im Raum, dass er eine psychische Störung habe. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er sich dagegen mit Händen und Füßen gewehrt. Das erste rechtspsychiatrische Gutachten bescheinigte ihm eine paranoide Schizophrenie, das zweite verneinte eine Psychose, stattdessen leide er an einer narzisstischen, antisozialen Persönlichkeitsstörung. Ein Psychiatrieprofessor, der daraufhin als Zeuge geladen wurde, erklärte wiederum, dass Breivik wahrscheinlich am Asperger-Syndrom leide, möglicherweise in Verbindung mit dem Tourette-Syndrom, vieles deute auch auf eine narzistische Persönlichkeitsstörung hin.

Das alles ändert aber nichts daran, dass seine Tat ein terroristischer Akt war. Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft erklärte das Gericht Breivik nicht für unzurechnungsfähig, sondern verurteilte ihn wegen Mordes in 77 Fällen zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Leibacher soll übrigens schon zuvor gegen mindestens einer seiner drei Ehefrauen gewalttätig gewesen sein.

Mich als einstige Soziologin interessiert eher, ob diese Devise heute auch noch gilt. Und inwieweit die oben genannten Motive bei den Frauen in islamistischen Terrororganisationen - in denen Gender-Mainstreaming wohl kaum ein Thema ist - eine Rolle spielen. Und ich meine jetzt nicht die verblendeten Mädels, die aus romantischen Motiven nach Syrien reisen, um dort "zu helfen" oder einen Märtyrer zu heiraten.
Deshalb habe ich dieses Zitat gepostet.

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Ja, bei Leibacher ...
... musste man sich damals schon fragen, wie es möglich war, dass so jemand sich überhaupt ein solchen Waffenarsenal zulegen konnte. Er war schon vor dem Attentat auf mehrere Arten unangenehm aufgefallen. Ein bisschen etwas hat sich schon verändert seit damals - aber radikalere Eingriffe ins Waffengesetz scheitern immer wieder an der Urne. Auch das ist direkte Demokratie.

Deine Fragestellung zum Zitat (was treibt Frauen in den islamistischen Terrorismus) finde ich sehr interessant. Ich muss gestehen, dass ich für eine gewisse Abneigung gegen die dekadenteren Seiten des westlichen Lebensstils Verständnis habe. Gepaart mit dem Gefühl des Ausgeschlossenseins von den Segnungen dieses Lebensstils und einem spezifisch jugendlichen Gefühl der Sinnlosigkeit ... ich kann nachvollziehen, wie das in die Radikalisierung führt. Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass man für irgendein politisches Ideal der Welt zu morden bereit ist. Aber ich hatte ja auch das Glück, immer in einer einigermassen funktionierenden Demokratie zu leben, alle Chancen, die sie bot, wahrnehmen zu können - und nur sehr wenige Menschen zu kennen, denen das verwehrt war.

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