Montag, 8. Juni 2015
Eisenbaum und Himmelsleiter


Meine Wohnung bietet nicht genug Platz für eine größere Feier, also habe ich kurzerhand meine Familie und Freunde zu einer Wanderung im Regionalpark Rhein-Main eingeladen. Mittags um eins treffen wir uns am Besucherzentrum in den Weilbacher Kiesgruben. Mit ein paar Autos fahren wir zum Startpunkt der Wanderung, den Historischen Kalkbrennöfen in der Nähe von Hochheim am Main.



Schon Mitte des 17. Jahrhunderts gab es hier einen Kalksteinbruch und die Brennöfen, wahrscheinlich sogar schon lange davor, weist doch manches darauf hin, dass bereits die zur Römerzeit an dieser Stelle Kalksteine abgebaut wurden. Nirgendwo sonst in Hessen sind solche Kalkbrennöfen so gut erhalten, es ist also ein ziemlich einzigartiges Industriedenkmal. Zum besseren Schutz sind sie überdacht, Besucher können sie praktischerweise auch von oben betrachten.



An der Obermühle wandern wir vorbei und stoßen kurz danach auf ein Hexenkreuz. In der Nähe befand sich wohl die alte Richtstätte am Galgen- oder Hexenberg. Die Liste mit den Namen ist ziemlich lang, die meisten starben in der Zeit von 1615 bis 1618, auch das letzte auf den Tafeln verzeichnete Opfer. Insgesamt wurden zwischen 1596 und 1631 in Flörsheim am Main mehr als 31 Frauen und Männer wegen Schadenszauber, Abfall von Gott, Teufelsbuhlschaft und Hexentanz verurteilt und hingerichtet. Flörsheim gehörte zum Kurfürstentum Mainz, einer der Gegenden, wo die Inquisition besonders wütete – auf der anderen Seite des Rheins setzte Landgraf Philipp von Hessen schon 1524 die Reformation durch, auch Philipp III. von Nassau-Weilburg führte sie ein.



Jedenfalls besteht ein zeitlicher Zusammenhang mit der Gegenreformation und den vier Wellen von Hexenprozessen. 1615 verbrannten sie in Flörsheim den Bauern und Winzer Jakob Schad, später wurden auch noch seine Kinder mehrfach beschuldigt, die drei älteren schließlich verhaftet, gefoltert und 1617 hingerichtet. Nur der 15-jährige Sohn entging der Anklage, weil im Kurfürstentum Mainz eine Altersgrenze für die Strafverfolgung galt. Übrigens verschuldete sich Flörsheim durch die Hexenprozesse massiv. In dem Jahr, in dem Jakob Schad auf dem Scheiterhaufen starb, betrugen die Kosten für die Hexenprozesse 6225 Gulden, weshalb die Gemeinde ein Darlehen von 2000 Gulden beim Kloster St. Clara beantragte und sich auch noch anderweitig Geld lieh. Als die Hexenverfolgung um 1648 im Kurfürstentum eingestellt wurde, beliefen sich die Schulden Flörsheims auf 9973 Gulden, mit Zinsen sogar auf 12.220 Gulden. Selbst Gemeindeland war deshalb schon verpfändet worden. Aus der Schuldenfalle kam der Ort auch nicht so bald wieder heraus. 1661 Jahre erbat die Gemeinde beim Mainzer Domkapitel Hilfe bei einem Vergleich, doch bis 1700 war die Angelegenheit im Kloster St. Clara noch nicht abgeschlossen, obwohl sich die Sache schon 52 Jahre hinzog.

Nach diesem eher bedrückenden Aufenthalt freue ich mich umso mehr auf den Eisenbaum. Den wollte ich unbedingt sehen, das ist ja klar.



Wer die Plattform erklimmt, dem erzählt der Eisenbaum bei Sonnenschein auch seine Geschichte.

Weiter geht es in den Kommentaren.

... link ... 14-faches Echo   ... comment